Unter Druck

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 1 Min.

Die Bemerkung, bei den jüngsten Skandalen der katholischen Kirche handele es sich nicht um Missbrauch, sondern um Brauch, ist natürlich ausgesprochen böswillig. Nimmt man allerdings die zeitliche und räumliche Ausdehnung der Vergehen und Verbrechen über mehrere Jahrzehnte und ganze Erdteile, kann man bei diesem Kalauer schon ins Grübeln kommen. Zum Verletzen, Verprügeln, Vergewaltigen der schutzbefohlenen Kinder und Jugendlichen durch ihre klerikalen »Betreuer« kam das Verschweigen, Verdrängen, Vertuschen der Kirchenführungen in den betroffenen Staaten. Der länder- und kontinentübergreifende Sumpf zeigte schließlich Dimensionen, die in zynischer Weise dem Anspruch der Una Sancta entsprachen, Weltkirche zu sein. Erst nachdem in den USA bereits ganze Diözesen durch exorbitante Entschädigungszahlungen in den Ruin getrieben worden waren und in Irland staatliche Untersuchungen den Blick in schauerlichste Abgründe freigegeben hatten, traf der sogenannte Missbrauchsskandal mit ganzer Wucht auch Deutschland.

Noch Anfang des Jahres wedelten die deutschen katholischen Bischöfe mit ihren »Leitlinien«, um die Öffentlichkeit über ihre Mitverantwortung zu täuschen. Das windelweiche Papier enthielt Weisungen, die die Strafverfolgung nachgerade hintertrieben. Gestern wurden neue, zumindest deutlichere Leitlinien gegen Missbrauch vorgestellt. Als Ergebnis innerkirchlicher Prozesse? Sie sind vor allem Ergebnis öffentlichen Drucks.

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