Eine eigene Schuldenbremse für Hessen
CDU und FDP wollen die Landesverfassung ändern / LINKE und DGB fordern gerechtere Steuerpolitik
Nach der Verankerung einer Schuldenbremse im Grundgesetz will die hessische CDU-FDP-Kolition diese Zielsetzung demnächst auch in die Landerverfassung schreiben. Dies kündigten die beiden Fraktionschefs Christean Wagner (CDU) und Florian Rentsch (FDP) am Montag an. Der Gesetzentwurf der beiden Regierungsparteien möchte in Artikel 141 der Hessischen Verfassung das Gebot festschreiben, den Landeshaushalt »grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen«.
Dies soll erstmals mit dem Jahreshaushalt 2020 gelten. Dementsprechend sollen die bis dahin aufzustellenden Haushalte durch einen kontinuierlichen Abbau der Neuverschuldung auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Derzeit hat der Landeshaushalt eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 2,9 Milliarden Euro.
Abweichungen von der grundsätzlichen Zielsetzung sieht der Gesetzentwurf für den Fall von Naturkatastrophen, außergewöhnlichen Notsituationen und »einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung« vor. Die Naturkatastrophe könne vom Landtag festgestellt werden. Eine Entscheidungsgewalt darüber, ob tatsächlich eine Weltwirtschaftskrise mit starkem Einfluss auf die Konjunktur vorliegt, möchten CDU und FDP indes nicht einer künftigen Regierung oder einer ihr geneigten Landtagsmehrheit überlassen, sondern lieber in die Hände eines »unabhängigen Sachverständigengremiums« legen, erklärte Wagner. Eine Verschuldung zum Ausgleich eines Wirtschaftseinbruchs müsse mit einer Tilgungspflicht in guten Zeiten verbunden sein, um künftig eine Aushöhlung des Schuldenverbots zu verhindern.
»Wir werden jede Ausgabe auf den Prüfstand stellen«, kündigte Rentsch eine weitere Serie von Ausgabenkürzungen etwa im Bereich der öffentlichen Verwaltung an. Die Kürzungen würden aber nicht auf die Schultern finanzschwacher Kommunen abgeladen, versprach Wagner. Schließlich seien die meisten Landtagsabgeordneten auch in Kommunalparlamenten tätig.
CDU und FDP wollen jetzt ihren Gesetzentwurf im Landtag einbringen und suchen bei diesem »Gewinnerthema« (O-Ton Wagner) die Unterstützung von SPD und Grünen. Die Linksfraktion, die sich ebenso wie der hessische DGB gegen das Vorhaben sträubt und stattdessen eine sozial gerechtere Steuerpolitik zur Verbesserung der Einnahmenseite bei den Staatsfinanzen fordert, soll bei diesen Gesprächen außen vor bleiben. »80 Prozent der SPD-Bundestagsabgeordneten haben der Schuldenbremse im Grundgesetz zugestimmt«, gab Wagner an die Adresse der Sozialdemokraten zu bedenken und forderte die Hessen-SPD auf, einen »gemeinsamen Weg« auch auf Landesebene einzuschlagen. Allerdings herrsche derzeit bei den Spitzen der hessischen Sozialdemokraten in Sachen Schuldenbremse »weniger Problembewusstsein« als bei den Grünen, die »da näher dran« seien, lamentierte der CDU-Mann.
»Mit dem geplanten Sonderopfer der Kommunen in Höhe von 400 Millionen Euro ab 2011 greift die Landesregierung schon jetzt in die Kassen von Städten, Gemeinden und Kreisen, um ihre Finanzsituation zu verbessern«, konterte der SPD-Finanzpolitiker Norbert Schmitt und äußerte den Verdacht, dass es Schwarz-Gelb »gar nicht um die Schuldenbremse geht, sondern um ein Thema, das sie in ihrem lahmenden Kommunalwahlkampf einsetzen wollen«.
Hessen ist das einzige Bundesland, in dem Verfassungsänderungen letztlich noch per Volksabstimmung vorgenommen werden. Dies soll nach dem Willen der Regierungsmehrheit zeitgleich mit der Kommunalwahl im März 2011 erfolgen. Bisherige Volksabstimmungen etwa über die Einführung der Direktwahl der Bürgermeister und Landräte oder die Aufnahme des Sports als Staatsziel waren bislang im Konsens und auf gemeinsamen Vorschlag von CDU, FDP, SPD und Grünen erfolgt. Dieser Konsens wäre fraglich, wenn sich die SPD unter dem Druck des DGB der hessischen Schuldenbremse widersetzte.
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