BND hält Eichmann-Akten weiter geheim

Vorgesetztes Kanzleramt missachtet sogar Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Zwar beteuert die Regierung, der Bundesnachrichtendienst (BND) wolle seine Geschichte »systematisch« aufarbeiten, doch noch immer verweigern Kanzleramt und Dienst beispielsweise die Herausgabe der Akten über einen der wichtigsten Organisatoren des Holocausts, Adolf Eichmann. Dabei missachtet man sogar einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts.

Die vornehmste Aufgabe der BND-Agenten ist die Aufklärung von Geheimnissen. Aber nur die anderer, die eigenen Geheimnisse werden gehütet, selbst wenn sie einen Massenmörder wie den SS-Obersturmbannführer Eichmann betreffen. Die Journalistin Gabriele Weber, die vor allem aus Südamerika berichtet, beantragte beim BND die Einsicht in Archivunterlagen zum Thema Eichmann. Die rund 3400 Blatt stammen im Wesentlichen aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das Kanzleramt, das für den BND verantwortlich ist, lehnte das ab. Weber klagte gegen die Sperrerklärung aus dem Hause Merkel. Das Bundesverwaltungsgericht entschied am 19. April 2010 und gab der Journalistin Recht. Nun hat das Kanzleramt fristgemäß »Akten« vorgelegt.

Eine Farce! Was vorliegt, besteht zum erheblichen Teil aus Seiten, die total weiß oder total schwarz sind. Nicht einmal Aktenzeichen sind erkennbar. Und was lesbar ist, betrifft die Zeit des Prozesses in Israel. 1961 war Eichmann zum Tode verurteilt worden.

Das früheste Dokument, das Frau Weber bislang zu sehen bekam, stammt aus dem Juli 1959. Dem BND war es in dieser Zeit extrem wichtig, dass Eichmann nicht die NS-Vergangenheit von Mitgliedern der BRD-Regierung enthüllt. Geheim sind weiter sämtliche Akten über das Untertauchen von Eichmann in Deutschland zwischen 1945 und 1950 sowie seine Flucht über Italien nach Argentinien. Auch wann und wie der BND Kenntnis über Eichmanns Aufenthalt in Argentinien erlangte und warum die Bundesregierung keine Auslieferung forderte, wird verschwiegen.

Wie schon bei der ersten Einsichtsverweigerung behauptet das Kanzleramt – angeblich abermals–, dass eine Offenlegung dem »Wohl des Bundes« abträglich sei. In den Akten befinde sich Material von einem ausländischen Nachrichtendienst. Gemeint ist der israelische Mossad; die Geheimhaltung dessen damaliger Erkenntnisse sei noch heute aus außenpolitischen Gründen, insbesondere der Nahost-Politik, erforderlich.

Das lässt Gabriele Weber nicht gelten, sie wird erneut Klage einreichen – zumal sämtliche in den Akten erwähnten Personen tot sind und nicht einmal das Kanzleramt von einer Schutzbedürftigkeit einzelner Personen ausgeht.

Laut Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, hat der BND dem Kanzleramt »unlängst ein Konzept zur systematischen Aufarbeitung der NS-Bezüge in seiner Geschichte vorgelegt«, das sich auch auf die Organisation Gehlen bezieht. Laut Neumann, der am Donnerstag auf eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Jan Korte (Linksfraktion) antwortete, sei mit der Umsetzung bereits begonnen worden.

»Der Umgang mit den Eichmann-Akten lässt ahnen, was BND und Kanzleramt unter Aufarbeitung verstehen«, so Korte gegenüber ND. Seine Fraktion werde daher weiter darauf drängen, dass alle Akten endlich freigegeben werden und eine unabhängige Aufarbeitung der BND-Geschichte zwischen 1945 und 1968 möglich wird.

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