Der teuflische Kreuzzug des Pastor Jones

Trotz weltweiter Empörung planen Bibelfundamentalisten in den USA eine Koran-Verbrennung

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Empörung über eine geplante Koran-Verbrennung in den USA wächst. Muslime, Politiker, Kirchenführer – und Militärs verurteilen die Aktion von Bibelfundamentalisten.
Karikatur: Rainer Hachfeld
Karikatur: Rainer Hachfeld

Auch in den USA kannte bis zum Vorjahr kaum jemand das evangelikale Dove World Outreach Center in der 120 000-Einwohner-Stadt Gainesville in Florida. Dann kam der Pastor der 50-Seelen-Kirche, der mehrere Jahre auch in der »Christlichen Gemeinde Köln« das Wort führte, auf die Idee, vor dem Zentrum ein Schild aufzustellen und T-Shirts zu vertreiben. Darauf stand »Islam is of the Devil«, der Islam stammt vom Teufel. Die Schlagzeilen waren garantiert. Heute kann man die Botschaft auch mit Hilfe eines bedruckten Kaffeepotts verinnerlichen (14,99 US-Dollar) oder das gleichnamige Buch von Terry Jones lesen. Alles zu erwerben auf seiner Website. Inzwischen hat Gottes Schwert gegen Satan noch einmal nachgelegt, den 11. September zum »Internationalen Tag der Koran-Verbrennung« erklärt – und so den Aufstieg zum Global Player vollzogen. Nicht viele können von sich sagen, dass ihr Konterfei von erbosten Menschen in fernen Ländern verbrannt wird.

Dabei will Jones doch nur der Opfer der Terroranschläge vor neun Jahren gedenken und die Verantwortlichen geißeln. Denn der Koran »ist für den 11. September verantwortlich«, meint der von allen guten Geistern verlassene Pastor in einem Video, und verkündet: »Der Islam ist eine schlechte Religion.« Die Empörung ist groß, geht es hier doch um das heilige Buch der Muslime, das von allen mit höchstem Respekt zu behandeln ist. Verstöße werden in der islamischen Welt als zutiefst beleidigend empfunden und haben schon wiederholt zu gewalttätigen Reaktionen geführt.

Auch jetzt ist es in Kabul wieder zu Protesten gekommen. Im Januar hatten schon Gerüchte über eine Koran-Schändung durch US-Militärs für tödliche Krawalle gesorgt. 2005 starben 15 Menschen bei Ausschreitungen, nachdem das Magazin »Newsweek« über solche Schändungen im Gefangenenlager Guantanamo berichtetet hatte. Nun haben wütende Gläubige US-Flaggen verbrannt und »Tod Amerika« skandiert.

Das rief dann selbst den Oberbefehlshaber der NATO-Truppen und die Washingtoner Regierung auf den Plan. General David Petraeus befürchtet, dass das Vorhaben der christlich-fundamentalistischen Splittergruppe den radikalislamischen Taliban in die Hände spielen und Soldatenleben am Hindukusch gefährden könnte, wie er dem »Wall Street Journal« sagte. Deshalb sei die Provokation auch »idiotisch und gefährlich», so Justizminister Eric Holder. Außenministerin Hillary Clinton nannte sie anlässlich eines Fastenbrechens im islamischen Monat Ramadan am Dienstagabend in Washington »respektlos« und »schändlich«. Sie sei unvereinbar mit den amerikanischen Werten, betonte ein Regierungssprecher. Und auch bei seinen Glaubensbrüdern findet Pastor Jones kein Verständnis. Die US-Vereinigung der Evangelikalen hat ihn jetzt aufgerufen, seinen Plan fallen zu lassen. Geistliche Vertreter verschiedener anderer Kirchen und religiöser Organisationen verurteilten ihn ebenfalls scharf.

Reverend Kevin Madigan, das Oberhaupt der katholischen Kirchengemeinde St. Peter's gleich neben Ground Zero in New York, hat den Terror am 11. September 2001 hautnah erlebt. Auch er fordert, nicht zuletzt mit Blick auf die erbitterte Debatte um den geplanten nahen Bau einer Moschee: »Seid offen und seid fair zu den Muslimen.« Man könne nicht alle über einen Kamm scheren. Muslimische, christliche und jüdische Vertreter haben gestern eine »steigende Welle von Angst und Intoleranz« in den USA beklagt.

Doch Terry Jones bleibt stur, obwohl die Stadtverwaltung von Gainesville die öffentliche Verbrennung von etwa 200 Exemplaren des Korans auf dem Grundstück seiner Kirche verboten hat. Die Gemeinde nehme die Bedenken von General Petraeus zwar ernst, »wir sind aber fest entschlossen«. Man wolle eine »klare Botschaft« an radikale Islamisten senden, so der Bibelfundamentalist, der 2002 von einem Kölner Amtsgericht wegen Führens eines falschen Doktortitels zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Nach finanziellen Unregelmäßigkeiten trennte sich die »Christliche Gemeinde« der Domstadt vor zwei Jahren von ihrem Gründer. Den Geist, den Jones anklagt – »diese Gewaltbereitschaft, diesen Fanatismus« – verkörpere er selber, so Stephan Baar, zweiter Vorsitzender der freikirchlichen Glaubensgemeinschaft.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -