Miese Bezahlung führt zu zweithöchstem Armutsrisiko

Sachsen-Anhalt: LINKE und SPD einig gegen Niedriglohnstrategie

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Jeder fünfte Sachsen-Anhalter ist von Armut bedroht, sagen Studien. Die Regierung solle deshalb Fördergelder nur noch für gut bezahlte Stellen zahlen, fordern die LINKE und die mitregierende SPD. Der CDU-Wirtschaftsminister dagegen will einfache Jobs.

Es sind aus Sicht Sachsen-Anhalts unrühmliche Zahlen, die das Statistische Bundesamt unlängst vorlegte: Jeder fünfte Bürger des Landes ist von Armut bedroht. Mit fast 22 Prozent – ein Wert, der doppelt so hoch ist wie der von Bayern – rangiert es im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz. Der Abstand zum ostdeutschen Durchschnitt ist in den vier Jahren seit der letzten Erhebung weiter gewachsen.

Kurz vor dem Paradies

Die Zahlen kontrastieren auffällig mit Erfolgsbotschaften der Regierung und insbesondere des Wirtschaftsministeriums, das Dynamik und hohes Wachstum preist und den Eindruck erwecke, man stehe »drei Tage vor Einführung des Paradieses«, wie Wulf Gallert, Fraktionschef der LINKEN, sagt. Diese hatte daher im Landtag eine Debatte zur Armut im Land angesetzt – um die Koalition »auf den Boden der Realitäten zurückzuholen«.

Zu diesen Realitäten gehöre ein weiterer unschöner Spitzenplatz: Sachsen-Anhalt ist, so eine kürzlich vorgestellte Statistik, das Land mit den niedrigsten Löhnen. Dazu tragen viele Teilzeitjobs und der Umstand bei, dass diese im Durchschnitt um einen Euro schlechter entlohnt werden als in den anderen Ost-Ländern.

Nicht zuletzt an dieser Stelle solle die Regierung ansetzen, verlangt die LINKE – indem etwa Fördermittel für die Ansiedlung von Unternehmen nur noch gezahlt werden, wenn auskömmliche Mindestlöhne bei entstehenden Arbeitsplätzen gesichert sind. Derzeit sind lediglich Lohnkostenzuschüsse an eine Lohnuntergrenze von 25 000 Euro geknüpft; bei der Investitionsförderung, die 85 Prozent der gezahlten Gelder ausmacht, gibt es keine solchen Bedingungen.

Das sei weder möglich noch erstrebenswert, sagt Reiner Haseloff, Wirtschaftsminister und CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 20. März. Er verwies auf EU-Vorgaben, die nur unsittlich niedrige Löhne ausschlössen, und erklärte zudem, angesichts der vielen Langzeitarbeitslosen, die es im Land gebe, sei es sogar kontraproduktiv, anspruchsvolle Hochlohnjobs anzusiedeln, für die sich am Ende keine Interessenten fänden: »Wir brauchen auch Einfachtätigkeiten für Langzeitarbeitslose.«

Solche Äußerungen bringen indes selbst den Koalitionspartner in Rage. Wegen der zu starken Konzentration auf »Armutslöhne« seien viele Hochqualifizierte erst abgewandert, so SPD-Fraktionschefin Katrin Budde: »Das darf nicht die wirtschaftspolitische Devise im Land sein«, fügte die einstige Wirtschaftsministerin hinzu. Auf Nachfrage räumte sie offen ein, dass es an diesem Punkt einen Konflikt in der Koalition gibt: »Da sind wir unterschiedlicher Ansicht.«

Ghana ist kein Vergleich

Generell gab es in der Debatte, mit der im Landtag die letzte Sitzungsperiode vor der Wahl eröffnet wurde, eine auffällige Blockbildung. CDU und FDP stellten unisono die Stichhaltigkeit der Armutsstatistiken in Frage. Armut sei ein »relativer Begriff«, so FDP-Fraktionschef Veit Wolpert; die CDU-Abgeordnete Brigitte Take lobte die »Vielfalt der Leistungen«, die ein Empfänger von Arbeitslosengeld II in Deutschland erhalte, und nennt die Aufstockung von Niedriglöhnen weltweit beispielhaft: »Man muss die Diskussion um Armut immer ins Verhältnis setzen.«

Den Betroffenen in Sachsen-Anhalt freilich nützten derlei Vergleiche wenig, sagt Budde: »Man muss ihre Lage nicht mit der in Ghana vergleichen, sondern mit dem Durchschnitt in der Bundesrepublik.« Budde weist darauf hin, dass 30 Prozent aller Kinder in Sachsen-Anhalt in Bedarfsgemeinschaften aufwachsen und zwölf Prozent der Arbeitslosen Jugendliche unter 25 Jahre alt sind: »Das ist extrem alarmierend.«

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