Steinbach erklärt den Krieg

BdV-Chefin relativiert Deutschlands Kriegsschuld und zieht sich aus CDU-Spitze zurück

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach hat in der CDU/CSU-Fraktionsklausur einen Eklat ausgelöst. Zuerst hätten 1939 die Polen mobilisiert, äußerte sie dort. Auf die einsetzende Kritik reagierte Steinbach mit der Ankündigung ihres Rückzugs aus dem CDU-Parteivorstand.
Zeichnung: Rainer Hachfeld
Zeichnung: Rainer Hachfeld

Berlin (epd/ND). Erika Steinbach hat ihren Rückzug aus dem CDU-Parteivorstand angekündigt, noch während die Fraktionsspitze sich am Donnerstag in Berlin hinter der Chefin des Bundes der Vertriebenen (BdV) versammelte. Bei der Fraktionsklausur hatte Steinbach zuvor Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) angegriffen. Sie warf ihm vor, sich nicht hinter die beiden Vertriebenenfunktionäre gestellt zu haben, die der BdV als Stellvertreter in den Rat der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« entsandt hat. Die beiden Vertreter, Hartmut Saenger und Arnold Tölg, stehen wegen revisionistischer Äußerungen in der Kritik. Der Zentralrat der Juden in Deutschland lässt seine Mitarbeit in der Stiftung vorerst ruhen.

In der Fraktionsklausur hatte Steinbach die beiden Funktionäre in Schutz genommen und gesagt: »Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat«, wie sie der Zeitung »Die Welt« bestätigte. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), sprach Steinbach dennoch sein Vertrauen aus. Sie habe später klargestellt, dass sie die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht relativieren wolle. Kauder berichtete, er habe in der Klausursitzung die Äußerung Steinbachs sofort zurückgewiesen und deutlich gemacht, dass Polen keine Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs treffe. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe klar gemacht, dass sie die Meinung Kauders teile.

Nach der Klarstellung durch Steinbach sah Kauder keine Notwendigkeit, »an dem Thema weiterzuarbeiten«. Auch der Stiftungsrat müsse nicht anders besetzt werden. Zudem ging der Fraktionsvorsitzende davon aus, dass Steinbach bei den Neuwahlen des Fraktionsvorstands Ende September als menschenrechtspolitische Sprecherin wiedergewählt werde. Die Fraktionsführung verständigte sich jedoch darauf, Steinbach für die nächste Woche im Bundestag von der Rednerliste zu nehmen. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, stellte sich ebenfalls hinter Steinbach.

Steinbach selbst reagierte verärgert auf die Debatte. Sie habe im CDU-Vorstand nur noch eine Alibifunktion, sagte sie der »Welt«. »Ich stehe dort für das Konservative, aber ich stehe immer mehr allein.« Die CDU sei nicht auf einem guten Weg. Mit Anpassung ziehe man keine Wähler an.

Außenminister Westerwelle bezeichnete Steinbachs »zweideutige Äußerungen, die die schwere Verantwortung Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Frage stellen«, als nicht akzeptabel. Der polnische Botschafter in Deutschland, Marek Prawda, zeigte sich eher gelassen. »Ich hoffe, dass wir uns davon nicht beirren lassen«, sagte Prawda dem Berliner »Tagesspiegel«. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, forderte die CDU auf, sich von Steinbach zu distanzieren. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, befürwortete einen Parteiausschluss der Vertriebenen-Chefin. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, nannte die revanchistischen Äußerungen eine unerträgliche Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses und eine weitere Brüskierung des Zentralrats der Juden.

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