Explosive Unterlage
LINKE: Daten zu DDR-Erdgasbohrungen betreffen Endlager Gorleben
Der Salzstock von Gorleben endete für die einstigen Planer des Endlagers für stark radioaktiven Atommüll an der Elbe. Jenseits war feindliches Ausland. Doch die Geologie hat andere Grenzen als die Politik. Auch auf der DDR-Seite der Grenze interessierte man sich brennend für den Salzstock. Allerdings weder des Salzes wegen noch wegen des eigenen Atommülls. DDR-Geologen suchten dort seit Ende der 60er Jahre nach Erdgas. In über 3000 Meter Tiefe wurden sie auch fündig. Allerdings erwies sich das Vorkommen – eine Mischung aus Salzlauge, Methan und flüssigen Kohlenwasserstoffen – als technisch ziemlich schwierig. Das Gas stand unter sehr hohem Druck. Wie stark, erfuhr die Bohrmannschaft am 25. Juli 1969. Da nämlich kam es zu einer verheerenden Explosion. Das Gas brannte mehrere Tage.
Für die Linksfraktion im Bundestag waren Hinweise auf das damalige Unglück Grund genug, in geologischen Archiven nachzuforschen. Ausgerechnet in Stralsund ward man nach Angaben der energiepolitischen Sprecherin der Fraktion, Dorothée Menzner, fündig. Nach den inzwischen von dort nach Cottbus umgelagerten Papieren hat es neben der explodierten Bohrung noch weitere Erkundungsbohrungen im Bereich des Salzstocks gegeben. Eine davon – Nummer 14 bei Wootz – sei diagonal unter der Elbe hindurch bis in den niedersächsischen Teil des Salzstocks vorgetrieben worden. Die Unterlagen zeigen, dass die gasführende Sandsteinschicht unter dem Salz nach Süden zu, also Richtung Gorleben, immer dicker wird.
Auf das Erdgasproblem hatte der anfangs an den Voruntersuchungen des Standorts Gorleben beteiligte Kieler Geologe Klaus Duphorn Anfang Juli bei einer Sitzung des Untersuchungsausschusses zu Gorleben im Bundestag hingewiesen. Menzner kritisiert, dass die Mehrzahl der DDR-Akten zum Erdgasfeld unterhalb des Salzstocks Rambow-Gorleben unter Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse des Konzerns GDF Suez gesperrt sind und dass aus der für die geologische Untersuchung von Gorleben zuständigen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auch 20 Jahre nach der Vereinigung noch nichts über neue Studien bekannt ist, die den Untergrund des Erkundungsbergwerks einschließen. Immerhin zeige die Geschichte des Salzabbaus im Salzstock von Wustrow südlich von Lüchow die Probleme mit unerwarteten Gasvorkommen. Dort musste der Abbau wegen des Erdgases bereits in den 1920er Jahren eingestellt werden. Stattdessen wurde dort später Erdgas gefördert. Volkmar Bräuer, Endlagerfachmann bei der BGR, hält die Bedenken für übertrieben. Kleine Gasvorkommen im Flankenbereich von Salzstöcken seien zwar nicht ungewöhnlich, doch die kurze Brennzeit des Gases bei dem Unfall von 1969 zeige, dass die Menge klein war. Zudem habe die DDR die Suche »wegen zu geringer Höffigkeit« der Vorkommen eingestellt. Die von Besuchern des Bergwerks beobachteten Ölflecke im Salz sind laut Bräuer kleine Mengen von Kohlenwasserstoffen, die beim Salzaufstieg mitgenommen worden sind. Auch die Gefahr von Erdbeben infolge der Erdgasförderung in der weiteren Umgebung von Gorleben sieht der BGR-Geologe nicht. Tatsächlich komme es zu solchen Beben, wenn Erdgas aus Sedimentgesteinen gefördert wird. In den niederländischen Nordsee-Erdgasfeldern passiert das häufig. Doch in Gorleben seien die nächsten Erdgasbohrungen erstens zu weit entfernt und zweitens würde das Salz aufgrund seiner Zähigkeit solche Stöße puffern.
DIE LINKE hat allerdings Zweifel an der angemessenen Berücksichtigung der Daten aus den DDR-Bohrungen und fordert die vollständige Offenlegung aller Akten, die Auskunft über Ausdehnung und geologische Eigenheiten des Erdgasvorkommens unter dem Salz geben. Gemeinsam mit den Fraktionen von SPD und Grünen stellt die Linksfraktion über den Untersuchungsausschuss deshalb Beweisanträge zur Herausgabe der Akten, damit diese Daten in eine wissenschaftliche Bewertung der Bedingungen in Gorleben einfließen können. Bis zur endgültigen Klärung des Erdgasrisikos solle die weitere Erkundung des Salzstockes ruhen.
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