Ein paar Milliarden mehr

Ausgaben für Arzneimittel gegenüber 2009 wieder gestiegen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
2009 haben die gesetzlichen Krankenkassen erneut mehr Geld für Arzneimittel ausgeben müssen. Der jährlich erscheinende Arzneiverordnungsreport belegt für 2009 einen Anstieg um 4,8 Prozent, der sich auch im ersten Halbjahr 2010 bestätigt.

2009 verlief die Ausgabenentwicklung bei den Arzneimitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) so: Es wurden mehr Rezepte ausgestellt und teurere Medikamente in größeren Packungen und stärkerer Dosierung verschrieben. Auf 32,4 Milliarden Euro stiegen die Kosten.

Die Hauptursache dafür sieht Herausgeber Ulrich Schwabe vom Pharmakologischen Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg in den hohen Preisen der patentgeschützten Mittel. Seit 1993 sind deren Umsätze von 1,6 auf 13,2 Milliarden angewachsen. Obwohl vor drei Jahren im Gesetz ein Höchstbetrag für solche Patentarzneien festgelegt wurde, habe sich nichts geändert, so Schwabe. Der Pharmakologe hat für den diesjährigen Report die 50 führenden Patentarzneimittel mit den entsprechenden Präparaten in Schweden verglichen. In Deutschland kosten sie im Durchschnitt 48 Prozent mehr, und haben sich 2009 um drei Prozent verteuert.

Auch bei den Generika – den Nachahmerpräparaten patentgeschützter Arzneimittel – sind die Preisunterschiede im Vergleich mit Schweden eindrucksvoll. Die 50 umsatzstärksten Mittel sind in Deutschland um 98 Prozent teurer. Ein Beispiel ist Omeprazol zur Behandlung von Magenkrankheiten. Bis vor Kurzem kosteten hier 100 Kapseln 60,46 €, in Schweden nur 9,36 €. Seit dem 1. September sind in Deutschland noch 43,29 € fällig. Während in Schweden und den meisten anderen europäischen Ländern die Preise für Arzneimittel staatlich reguliert werden, können Pharmafirmen in Deutschland, Dänemark und Malta Preise frei festlegen. Das ist nicht nur für den Umsatz hierzulande wichtig. Deutschland ist häufig Referenzland für internationale Preisvergleiche, ein hoher deutscher Preis steigert folglich auch die Einnahmen in anderen Ländern.

Hätten Arzneimittel in Deutschland schwedische Preise, könnte die gesetzlichen Kassen 9,4 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. »Es sind also nicht die Ärzte, die zu teuer verordnen, und auch nicht die Apotheker, die immer nur teure Arzneimittel verkaufen. Es sind auch nicht die Patienten, die immer nur teure Arzneimittel haben wollen. Es ist die Pharmaindustrie, die so hohe Preise verlangt«, schlussfolgert Ulrich Schwabe.

Entsprechend verschnupft reagierte gestern der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie auf den Arzneimittelreport. Dieser habe die Chance vertan, sachlich und differenziert über den Arzneimittelmarkt zu berichten, ließ Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp mitteilen. Geht es nach Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, wird das Bundesgesundheitsministerium demnächst selbst Schnellbewertungen auf dem Markt befindlicher teurer Medikamente vornehmen. Das regelt das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG), das in Kürze verabschiedet werden soll. Nach allem, was man bisher über den Einfluss von Herstellerlobbyisten im Ministerium gehört hat, dürfte der Erfolg dieser Maßnahme zweifelhaft sein. Davor warnt der zweite Herausgeber des Arzneiverordnungsreports Dieter Paffrath von der AOK Schleswig-Holstein: »Das ist mit Sicherheit der falsche Weg.« Er sei dagegen, denn Ärzte und Krankenkassen hätten mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen die kompetenten Gremien für die Bewertung von Arzneien. Die Pharmaindustrie hingegen wolle verzögern und verkomplizieren.


Arzneiverordnungsreport

Der Arzneiverordnungsreport erscheint zum 26. Mal. Er basiert auf 740 Millionen Verordnungen, ausgestellt von 138 709 Vertragsärzten. Die Publikation beschreibt die Einführung neuer Arzneimittel, bewertet den therapeutischen Nutzen, berechnet die Kosten und gibt Ärzten Verordnungsempfehlungen. Der Report gilt als Standardwerk und genießt Anerkennung in Gremien und Verbänden, die sich mit Fragen der Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik in Deutschland beschäftigen. ND

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