Sprudelte aus Wolfsburgs Stadtwerken Geld für CDU-Wahlkämpfe?

Langjähriger Pressesprecher bezichtigt sich selber der Untreue / Staatsanwaltschaft ermittelt

  • Mirko Knoche
  • Lesedauer: 3 Min.
Niedersachsens ehemaliger Ministerpräsidenten Christian Wulff und sein Nachfolger David McAllister (beide CDU) sind unter Druck. Mit Geld der Wolfsburger Stadtwerke sollen Unionswahlkämpfe unterstützt worden sein.

Ein mutmaßlicher Korruptionsskandal in Niedersachsen bringt Ministerpräsident David McAllister und Bundespräsident Christian Wulff in Erklärungsnöte. Mitarbeiter der Wolfsburger Stadtwerke sollen auf Kosten des städtischen Unternehmens Wahlkämpfe der Union unterstützt haben. Der langjährige Pressesprecher der Stadtwerke, Maik Nahrstedt, hat sich nach NDR-Angaben in einem 14-seitigen Schreiben selbst der Untreue bezichtigt. Er soll vom Vorsitzenden des kommunalen Betriebes, Markus Karp (CDU), freigestellt worden sein, um unter anderem 2002/03 den Landtagswahlkampf des damaligen Oppositionsführers Wulff mitzuorganisieren.

Nahrstedt gibt an, nur noch halbtags für die Stadtwerke gearbeitet, aber weiterhin das volle Gehalt bezogen zu haben. Außerdem habe ihn sein Chef Karp angewiesen, Telefon- und Reisekosten über die Stadtwerke abzurechnen. Die Opposition im Landtag will nun vom damaligen CDU-Generalsekretär McAllister und dem seinerzeit amtierenden CDU-Landeschef Wulff wissen, ob sie von der Veruntreuung öffentlicher Mittel wussten. Ministerpräsident McAllister sagte am Mittwoch ein Interview beim NDR kurzfristig wieder ab. Sein Pressesprecher kündigte im Gespräch mit ND zwar eine »rückhaltlose Aufklärung« an, nannte aber keinen Termin für eine öffentliche Erklärung. Das Bundespräsidialamt verweigert bisher jede Stellungnahme, wie eine Sprecherin bestätigte.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat auf Anfrage erklärt, am gestrigen Donnerstag ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Stadtwerke-Chef Karp und seinen Pressesprecher Nahrstedt eingeleitet zu haben. Beide werden der Untreue zu Lasten der Stadt Wolfsburg verdächtigt. Gegen Karp wird außerdem wegen Vorteilsgewährung zu Gunsten der Landes-CDU ermittelt. Es drohen Höchststrafen von bis zu fünf Jahren. Gegen Nahrstedt ermitteln die Behörden bereits seit August wegen Nötigung und Behinderung eines Betriebsrats. Seine Vorwürfe gegen Karp gelten daher als Retourkutsche, zumal er seine eigene Verwicklung in nicht verjährte Taten ab 2005 nur äußerst schmallippig umreißt. Nahrstedt wurde am Mittwoch von Karp fristlos gefeuert, Karp selbst hat sich am selben Tag vom Aufsichtsrat beurlauben lassen – bei weiterhin vollen Bezügen.

Sollten die Angaben Nahrstedts zutreffen, wäre dies auch ein Verstoß gegen das Parteiengesetz. Demnach sind Spenden von öffentlichen Unternehmen unzulässig. Die CDU Niedersachsen müsste die gewährten Vorteile in dreifacher Höhe zurückzahlen. Bei einem behaupteten Volumen von einer Million Euro würde die Hannoveraner Parteikasse also um drei Millionen Euro erleichtert. Eine Bundestagssprecherin hat gegenüber ND bestätigt, dass im Stadtwerke-Fall Untersuchungen aufgenommen wurden. Sie wollte sich jedoch nicht zu Details äußern.

Sollte sich herausstellen, dass die Wolfsburger Aktivitäten der niedersächsischen CDU-Zentrale bekannt waren, könnte das auch strafrechtliche Konsequenzen für eventuell betroffenen Parteifunktionäre nach sich ziehen. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft gab auf Anfrage aber an, es sei zu früh, der Unionsführung eine Verwicklung in die Affäre zu unterstellen. So sei zu prüfen, ob etwa der Wolfsburger CDU-Oberbürgermeister Rolf Schnellecke die Rechnungen aus eigener Tasche beglichen habe oder ob die mutmaßlichen Verantwortlichen bei den Stadtwerken auf eigene Faust gehandelt hatten.

»Es ist Zeit, dass der Ministerpräsident sein Schweigen bricht und alle Fakten auf den Tisch legt«, verlangte dagegen die Innenexpertin der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag, Pia Zimmermann.

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