Rabenschwärme fallen Kälber an
Bauern im Nordosten fordern Jagderlaubnis
Neubrandenburg/Güstrow. Es ist nicht ganz wie im Hitchcock-Film »Die Vögel«, aber gruselig mutet es ebenfalls an, wenn sich große schwarze Kolkraben auf ein frisch geborenes Kälbchen stürzen. Dabei sind es keineswegs Vogeleltern auf Nahrungssuche für ihre Jungen, die Kälber anfallen und auch töten, sondern Jugendbanden.
»Das sind Trupps aus 120 bis 150 noch nicht geschlechtsreifen Vögeln, die an Lämmer und Kälber gehen«, sagte der Artenschutzexperte beim Landesumweltamt, Christof Herrmann, in Güstrow. Bislang stehen die Vögel unter strengem Schutz, der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern beklagt jedoch »erhebliche Verluste« durch Kolkraben und fordert eine Jagderlaubnis für bestimmte Zeiten im Jahr.
Abschuss zur Vergrämung
Gefährdet sind Kälber und Lämmer während oder kurz nach der Geburt. »Dieses Problem gibt es seit vielen Jahren«, erläuterte Herrmann. »Daher werden regelmäßig einzelne Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss von Kolkraben erteilt.« Voraussetzung sei allerdings, dass der Landwirt sich um seine Herde kümmere und Nachgeburten oder Totgeburten entsorge. Nachgeburten zählen zu den Lieblingsspeisen der Vögel und locken sie an. Jedes Jahr gebe es in Mecklenburg-Vorpommern fünf bis zehn Abschussgenehmigungen.
Eine solche Erlaubnis diene dabei keinesfalls dazu, die Kolkraben im Nordosten zu dezimieren, sondern nur zur Vergrämung der sehr intelligenten Tiere. »Die werden dann unglaublich vorsichtig und halten einen großen Abstand zu Menschen«, sagte Herrmann. Oft werde bei dieser Aktion nur ein Kolkrabe abgeschossen, der Rest fliege weg.
In diesem Jahr hätten Kolkraben sogar junge, bereits trockene Lämmer angefallen, was sehr selten geschehe. Der Besitzer habe schnell Unterstützung bekommen. »Er hat um 9 Uhr seinen Antrag gestellt und um 14 Uhr seine Abschussgenehmigung erhalten.«
Streit um den Bestand
Nach Auskunft des Bauernverbandes gibt es bei frischgeborenen Kälbern, Lämmern und auch Ferkeln in Freilandhaltung »erhebliche Verluste« durch die Vögel. Daher müsse »einer ungezügelten Vermehrung der Kolkraben Einhalt geboten werden«, forderte Sprecher Harald Kienscherf. »Die ganzjährige Schonzeit für Kolkraben sollte durch die Festlegung einer Jagdzeit in der Jagdzeitenverordnung aufgehoben werden.« Dazu müsse jedoch der Status der Kolkraben in der europäischen Vogelschutzrichtlinie geändert werden. »Sein Bestand hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht«, meinte Kienscherf.
Dem widersprach Herrmann: In Mecklenburg-Vorpommern seien in den 1990er Jahren rund 3000 Brutpaare gezählt worden. Diese Größenordnung habe sich seit 20 Jahren nicht geändert. Wie viele junge Kolkraben in den Trupps leben, sei schwer zählbar.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.