Sieg ohne Zwei-Drittel-Mehrheit
Sozialisten bleiben in Venezuela stärkste Kraft im Parlament, verpassen aber ihr Wahlziel
Es ist ein »solider Sieg«. Mit diesen ersten Worten bewertete Venezuelas Präsident Hugo Chávez den Ausgang der Parlamentswahlen. Lange hatten er und seine Unterstützer, die sich vor dem Präsidentenpalast Miraflores in Caracas versammelt hatten, auf das Ergebnis gewartet. Als die Nationale Wahlbehörde (CNE) am Montag gegen zwei Uhr in der Nacht (Ortszeit) verkündete, dass die Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) zwar mindestens 90 Sitze erlangt, aber die erhoffte Zwei-Drittel-Mehrheit (102 Sitze) verfehlt habe, machte sich neben der Freude über den Sieg auch Ernüchterung breit.
Nach vorläufigen Angaben der Wahlkommission eroberte die PSUV mindestens 94 der 165 Parlamentssitze. Das Oppositionsbündnis, zu dem sich die traditionellen Parteien nach dem Boykott der Parlamentswahlen vor fünf Jahren zusammengeschlossen haben, kam demnach auf mindestens 62 Sitze. Drei Sitze entfielen auf Parteien der Ureinwohner. Die Verteilung von sechs Mandaten war zunächst noch offen.
Ohne zwei Drittel der Sitze im Parlament können Gesetze, die den Prozess zum »Sozialismus des 21. Jahrhundert« vertiefen sollen, nicht mehr so einfach verabschiedet werden. Laut Chávez könne zwar der Weg zum bolivarischen Sozialismus fortgesetzt werden, aber er hatte sich mehr erhofft und dafür in den Wochen vor der Wahl unermüdlich geworben.
Die Opposition sprach davon, dass sie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten habe, was allerdings von der CNE zunächst nicht bestätigt wurde. Das Ergebnis der parallel abgehaltenen Wahl zum lateinamerikanischen Parlament, demzufolge die Sozialisten 46,6 Prozent, der »Tisch der demokratischen Einheit« (MUD) als Bündnis der Opposition 45,1 Prozent und kleinere Parteien den Rest der Stimmen erhalten haben, deutet indes darauf hin, dass die Gegner der Regierung zumindest unter Einrechnung aller kleinen Parteien und Listenverbindungen die Mehrheit erreicht haben könnten. So sprach die Opposition in ersten Reaktionen vom eigenen Erfolg und davon, dass die Venezolaner der Polarisierung im Land überdrüssig seien. Von einem Wahlbetrug, der vorher immer wieder beschworen wurde, war jedoch nicht die Rede.
Schließlich hatten auch die Beobachter der verschiedenen Parteien, die an jedem Wahlcomputer über den korrekten Ablauf der Abstimmung wachten, keine größeren Beanstandungen zu vermelden. In einigen vom ND aufgesuchten Wahllokalen gaben die Beobachter von Regierung und Opposition übereinstimmend an, dass alles planmäßig laufe. So blieb es auch nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse in der Nacht ruhig. Vielmehr erinnerte die Stimmung vor der Bekanntgabe des Ergebnisses in der Nacht teilweise an ein Volksfest. Am Abend waren in der Hauptstadt an vielen Orten Menschen zusammengekommen, um auf die Ergebnisse zu warten. Motorradkorsos fuhren durch die Stadt und nach ersten Gerüchten über ein gutes Abschneiden der PSUV wurden Böller gezündet.
Die Beteiligung im ganzen Land zeigte die Bedeutung der Abstimmung. »Es gibt viel mehr Interesse an der Politik als früher«, meinte beispielsweise Ramon Valles Rodriguez, Wahlvorstand im wohlhabenden Stadtteil Chacau im Osten von Caracas gegenüber dem ND. In seinem Wahllokal gaben etwa drei Viertel der eingeschriebenen Wähler ihre Stimme ab, in anderen Teilen von Caracas waren es bis zu 80 Prozent. Im ganzen Land waren es auch aufgrund von heftigen Regenschauern am Sonntagnachmittag etwas weniger, gut zwei Drittel kamen zur Stimmabgabe, ein Anteil, der sonst nur bei Präsidentschaftswahlen erreicht wird.
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