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Steinkohle: Spitzen-Grüne sind sich nicht grün

Wann soll die Kohlesubventionierung enden? 2014, sagt Jürgen Trittin. 2018, erwidert der grüne NRW-Umweltminister Remmel

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Juli schlug die EU-Kommission vor: Bereits ab 2014 sollen auch in Deutschland keine Steinkohlesubventionen mehr fließen. Der Steinkohlekompromiss von 2007 sah ein Ende erst für das Jahr 2018 vor. 2014 oder 2018? Der Konflikt tobt auch innerhalb der Bundesregierung und in der grünen Partei. Es geht um tausende Arbeitsplätze, milliardenschwere »Ewigkeitskosten« und eine stümperhafte Arbeit des ehemaligen Kabinetts Merkel/Steinmeier.

Die Fronten sind ein wenig unübersichtlich geworden. Für ein europaweites Ende der Subventionen für Steinkohleförderung bereits im Jahr 2014 plädieren unter anderem die EU-Kommission, Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und der Chef der grünen Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin. Vor ein paar Tagen lobte Trittin einen entsprechenden Plan der EU-Kommissare als »richtig und seit Langem überfällig«. Nein, das ist er nicht, widersprach wenige Tage später Johannes Remmel, der NRW-Umweltminister, dessen grüner Landesverband lange Jahre für ein schnelles Ende des Steinkohlebergbaus gekämpft hatte.

Nun liegt Remmel auf einer Linie mit der kohlefreundlichen SPD, der Bundeskanzlerin, der Bundesratsmehrheit und der Linkspartei. Und er steht inhaltlich gegen seinen Parteifreund Jürgen Trittin. Oder doch nicht? Er sei sich mit Remmel einig »über ein sozialverträgliches, aber baldiges und endgültiges Auslaufen der Steinkohlesubvention«, sagt Trittin dem ND. Voraussetzung: Deutschland müsse »nun mit dem Ausstieg aus der Subventionierung der Steinkohle Ernst machen«. Dann werde »man sich mit der EU-Kommission auch einig«.

Doch den innergrünen Konflikt kann Trittin so nicht aus der Welt reden. Der NRW-Grüne Remmel argumentiert: Trittins Aussagen würden »einfach die zigtausend Beschäftigten« ausblenden, die bei einem um vier Jahre vorgezogenen Ausstieg 2014 auf der Straße stünden. Remmel erinnert zudem an die Ewigkeitskosten, die durch die dauerhaften Folgeschäden des Bergbaus entstehen. Bei einem Ausstieg im Jahr 2014 müsste die öffentliche Hand in die Bresche springen. »Im Sinkflug, nicht im Sturzflug« solle deshalb Steinkohleförderung beendet werden.

Jürgen Trittin hingegen betont: »Kohle belastet das Klima wie kein anderer Energieträger. Deshalb muss die Subventionierung auslaufen.« Mit dem 2014er-Beschluss sei die EU-Kommission »Deutschland schon weit entgegen gekommen«. Die Bundesregierung, allen voran Kanzlerin Merkel, habe »arrogant darauf gesetzt, dass die deutsche Position eines Endes 2018 einfach so übernommen wird.«

Letzteres ist kaum von der Hand zu weisen: 2007 hatten sich Bund, Länder, Zechenunternehmen und Gewerkschaften auf den Steinkohlekompromiss geeinigt. Die bestehenden Zechen sollen schrittweise bis 2018 geschlossen werden. Bis dahin sollten Subventionen fließen. Ohne milliardenschwere Zuschüsse ist Steinkohleförderung in Deutschland schlicht nicht rentabel. Doch die Bundesregierung, damals bestehend aus Union und SPD, hatte die Einigung nicht europarechtlich abgesichert. Sie verstieß schlicht gegen EU-Regeln.

Am 20. Juli 2010 beschloss die EU-Kommission: Die Mitgliedstaaten dürfen unrentable Steinkohlezechen bis 2014 mit Beihilfen unterstützen. In der Begründung gehen Klimaschutzargumente und liberale Subventionsskepsis Hand in Hand. Betroffen wären Kohlebergewerke in Ruhrgebiet und Saarland sowie in Spanien und Rumänien. Und rund 100 000 Kumpel, davon 27 000 in NRW. Dem EU-Plan müssen die Mitgliedsstaaten zustimmen. Natürlich können sie sich ihm auch verweigern.

Wenig Freude bereitete den deutschen 2018-Befürwortern, dass der EU-Energie-Kommissar ihrem Steinkohlekompromiss auf EU-Ebene keine Bahn brach. Günther Oettinger heißt der Mann. Manch einer sagt, er sei von Angela Merkel in die Brüsseler Wüste geschickt worden. Doch als die EU-Kommission ihren 2014-Beschluss fiel, weilte der baden-württembergische Ex-Ministerpräsident in Washington. Merkel jedenfalls war nicht amüsiert über die Absenz. Zumal in einem vorherigen Entwurf nicht von 2014 die Rede war und auch nicht von 2018, sondern von einer Frist bis zum Jahr 2023.

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