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Zukunft antizipiert

FRITZ BEHRENS

  • Jörg Roesler
  • Lesedauer: 3 Min.

Kaum einem Wirtschaftswissenschaftler gegenüber ist die SED-Führung so misstrauisch geworden und geblieben wie gegenüber Fritz Behrens. Kaum einer der zu DDR-Zeiten Verfemten hat nach der Wende soviel Anziehungskraft für die dem Sozialismus weiterhin anhängenden deutschen Ökonomen gehabt wie der »56er-Wirtschaftsreformer«. Dies ist der dritte seit 1990 erschienene Sammelband, in dem sich seine Zunftkollegen, aber auch Soziologen und Politologen über Fritz Behrens äußern und dessen Erkenntnisse zum Ausgangspunkt für Betrachtungen über die Zukunft sozialistischen Wirtschaftens machen.

Auch 30 Jahre nach seinem Todestag (26. Juli 1980) dauert die Aufarbeitung der von ihm gewonnenen Einsichten über das schwierige Verhältnis von Plan und Markt, Sozialismus und Basisdemokratie, Produzentenautonomie und zentraler Leitung an.

Stefan Bollinger äußert sich zu Behrens' Scheitern und die Möglichkeiten trotzdem Alternativen zum Staatssozialismus zu entwickeln, Frieder Otto Wolf analysiert Behrens' Studien zum Verhältnis von staatlichem Produktionsmitteleigentum und Selbstverwaltung der Produzenten auf der Grundlage von Gemeineigentum frei assoziierter Produzenten, Manfred Lauermann berichtet über »Behrens, Marx und die bundesdeutschen 68er Bewegung«. Christa Luft schildert, wie Behrens' Auffassung, dass Plan und Markt kein Gegensatzpaar sind und Dezentralisierung der Wirtschaftsleitung unmittelbar demokratische und zivilgesellschaftliche Potenziale freisetzen wird, die Reformer der Regierung Modrow anregte und ermutigte. Klaus Steinitz schreibt über den Nutzen der Behrensschen Kritik an der Politischen Ökonomie des Sozialismus für die Ausarbeitung eines modernen Konzeptes sozialistischer Regulierung.

Für denjenigen, der sich mit der Persönlichkeit von Fritz Behrens vertraut machen und die Verhältnisse, unter denen er forschen musste, kennen lernen will, ist vor allem Helmut Steiners Beitrag zu empfehlen, der im Buch den Reigen der abgedruckten Vorträge eines Workshops eröffnet. In dem von Hannamaria Loschinski auf der Grundlage eines Manuskriptes des 2009 verstorbenen Soziologen für die Veröffentlichung vorbereitete Text informiert über Behrens' Beziehungen zu polnischen Reformökonomen wie Wlodzimiers Brus und tschechoslowakischen wie Ota Sik. Steiner beleuchtete Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Mit Behrens' Verhältnis zu den Auffassungen von Sik befasst sich auch der Beitrag von Joachim Tesch. Während die Wirtschaftsreformer iin unseren Nachbarländern schließlich ins Exil gegangen sind, an westeuropäische oder US-amerikanische Hochschulen lehrten, blieb Behrens in der DDR, auch als er sich – 1968 vorzeitig emeritiert – aus dem öffentlichen Leben zurückziehen musste. Behrens war der einzige in Staaten Osteuropas wirkende Wirtschaftswissenschaftler, der den Weg von der sozialistischen Marktwirtschaft zu einer Wirtschaft des »Dritten Weges« zwischen Markt und Plan und schließlich zur Befürwortung der kapitalistischen Marktwirtschaft nicht ging.

100 Seiten dieses Buches bieten Texte von Fritz Behrens, darunter unveröffentlichte. Besonders interessant ist ein Selbstinterview, das er im Frühjahr 1980 verfasst hatte und in dem er seine wichtigsten Erkenntnisse noch einmal zusammenfasst. Dieser Text, der den Titel »Über eine sich selbst verwaltende Gesellschaft« trägt, dürfte für Überlegungen über eine zukünftige sozialistische Entwicklung wohl von größten Interesse sein.

Das Buch enthält nicht nur für den Wissenschaftler eine Fülle von Anregungen und ermöglicht Bekanntschaft mit – so die Herausgeber Günter Krause und Dieter Janke in ihrem Vorwort – einem »brillianten Wirtschaftswissenschaftler und Gesellschaftsanalytiker«.

Günter Krause/Dieter Janke (Hg.): Man kann nicht Marxist sein, ohne Utopist zu sein ..: Texte von und über Fritz Behrens. VSA. 247 S., br., 16,80 €.

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