Grün und Wohnungen statt Gleise
Das Hamburger Großbauprojekt Mitte Altona setzt auf Wohnungsbau – Kritiker sind skeptisch
In Hamburg-Altona wird eine große Fläche zwischen Holstenbrauerei, Stresemannstraße und den Gleisen der S-Bahn frei, weil die Deutsche Bahn AG in etwa fünf Jahren den Regional- und Fernverkehr zum Bahnhof Diebsteich verlagern will, um die langen Einfahrten der Züge zum Sackbahnhof Altona zu vermeiden. Der endgültige Beschluss des Bahnvorstands über die Freigabe des so genannten Gleisdreiecks liegt zwar noch nicht vor, doch die Stadt hat es eilig: Bereits 2012 soll mit der Realisierung des ersten Planungsabschnitts auf 28 Hektar stillgelegter Fläche begonnen werden. Die vorbereitenden Untersuchungen – laut Baugesetzbuch vorgeschrieben und von der Entwicklungsgesellschaft steg Hamburg GmbH durchgeführt – sollen im Februar 2011 abgeschlossen sein. Derzeit findet ein städtebaulicher Wettbewerb statt, an dem zehn große Planungsbüros teilnehmen, Ergebnisse sollen demnächst vorliegen.
»Jetzt wird noch nicht über die Architektur oder Nutzung einzelner Gebäude entschieden. Dazu ist es noch zu früh«, erklärt Uwe Drost, Organisator des städtebaulichen Wettbewerbs. »Wir sprechen hier über Stadtstrukturen, die erst entwickelt werden.« Zu den Vorgaben gehört die Einbeziehung der denkmalgeschützten Gebäude des alten Güterbahnhofs und der Kleiderkammer. Auch der alte Wasserturm, Wahrzeichen des Altonaer Bahnhofs, soll erhalten werden.
Ohne Stimmrecht
Die Entscheidung über die Vergabe des Auftrags wird am 18. November fallen und sechs Tage später der Öffentlichkeit mitgeteilt. In der 25-köpfigen Jury sitzen Vertreter der drei Grundeigentümer (Deutsche Bahn AG, Holsten-Brauerei AG, Aurelis Real Estate GmbH), der Stadt und des Bezirks Altona. Zusätzlich nehmen sechs Bürgervertreter teil, die jedoch lediglich ihre Meinung bei den Diskussionen einbringen dürfen – Stimmrecht haben sie nicht.
Nicht nur aus diesem Grund gibt es bei vielen Anwohnern Unmut: Sie befürchten, dass hier einmal mehr teurer Wohnraum mit hoher Rendite entstehen wird und fühlen sich übergangen. Bei der Präsentation der Wettbewerbsentwürfe im August im Altonaer Rathaus machten deshalb einige Anwohner ihrem Ärger Luft: Sie setzten sich rote Pappnasen auf und warfen Flugblätter ins Publikum. Darauf war zu lesen: »Wir freuen uns über den Sonderstatus als nicht stimmberechtigte Gäste!« Und: »Kaltmiete in Altona Altstadt 9 bis 11 Euro pro Quadratmeter! Danke für Ihr Verständnis.«
Hinter den Protesten verbirgt sich die Angst vor einer Entwicklung, wie sie in den ehemaligen Arbeiterquartieren Ottensen und Schanzenviertel abgelaufen ist. In den trendigen Nachbarvierteln sind bei Neuvermietungen mittlerweile Kaltmieten von mindestens 13 Euro pro Quadratmeter üblich. Die Bürgerinitiativen wünschen sich daher für das neue Quartier mindestens 30 Prozent sozialen Wohnungsbau und großzügige Flächen für Baugenossenschaften. Außerdem sollten viele Grünflächen, soziale Einrichtungen und vielfältige Arbeitsplätze geschaffen werden. Büroklötze sind hingegen nicht erwünscht. Um Bodenspekulanten Einhalt zu gebieten, drängt das Bündnis »Altopia« die Stadt, im Sinne der Altonaer Bevölkerung einzugreifen. Sie soll das Gelände zurückzufordern, das einst der Bahn für die Schaffung von Transportwegen übereignet worden war.
Und die Subventionsgelder?
In welchem Verhältnis bezahlbarer Wohnraum zu Eigentumswohnungen stehen wird, ist derzeit noch nicht entschieden. Tatsache ist: Investoren wollen Geld verdienen. Und die Kassen der Stadt sind leer. Woher sollen die Mittel zur Subventionierung von billigem Wohnraum kommen? Auf diese Frage wusste bei der Präsentation niemand Antwort. Zumindest in einem Punkt konnte Wettbewerbsausrichter Drost die Besucher aber beruhigen: »Mitte Altona wird kein Bürostandort. Geplant sind vor allem Wohnungen und zehn Hektar Grünfläche.«
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