Lötzsch: Für jede praktische Idee offen
Parteivorsitzende der LINKEN warnt vor »wöchentlichen Strategiedebatten«
In der öffentlichen Wahrnehmung handelt es sich um Forderungen nach einem Strategiewechsel, die in jüngsten Meinungsäußerungen von Parteiprominenten deutlich werden. Mit dem Satz »Wir müssen zurück zur Politik, statt uns mit uns selbst zu beschäftigen« wird Vizefraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch in der »Mitteldeutschen Zeitung« zitiert. »Wir können mit unserer strategischen Situation nicht zufrieden sein«, ergänzt der Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Matthias Höhn, in dem Blatt. »Wir brauchen einen Regierungswechsel im Bund hin zu Rot-Rot-Grün«, fügt dieses als Beleg für den Strategiewechselwunsch die Meinung von Jan Korte, Abgeordneter im Bundestag, hinzu.
Dies alles sind weder neue Vorschläge noch sind sie Beleg für einen Wunsch nach Strategiewechsel. Viel eher spiegeln sie in recht allgemein gehaltenen Formulierungen Unbehagen über die als unbefriedigend empfundene Rolle wider, die die Partei derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung spielt. Die sogenannten Reformer sind es, die in nachlassender öffentlicher Wahrnehmung – wenn es nicht um Gehalts- und andere strittige Debatten geht – ein Problem erkennen. Ein inhaltliches? Schwer zu sagen, als sicher ist nur vorauszusagen, dass Persönliches sehr schnell in den Vordergrund geraten wird, ablesbar etwa in der bereits nachlesbaren Formulierung, Teile der Partei hegten Zweifel an der Eignung der beiden Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, die Partei nach vorn zu bringen. Die »taz« zitierte den Thüringer Fraktionschef und ehemaligen Parteibildungsbeauftragten Bodo Ramelow mit den Worten, es gebe »eine gewisse Diskrepanz zwischen der Partei und den beiden Vorsitzenden«, diese müssten in der Programmdebatte jetzt »mehr Mut haben und klare Worte finden«. Auslöser solcher unfeinen Vorwürfe war Fraktionschef Gregor Gysi gewesen, als er der Partei und damit wohl zuerst ihrer Führung in einem Interview vorwarf, »in Selbstbeschäftigung und Passivität verfallen« zu sein.
Parteichefin Gesine Lötzsch hatte dies wohl genau so empfunden und Gysis Urteil ebenfalls öffentlich zurückgewiesen. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie einen Strategiewechsel für unangebracht hält. Gegenüber ND sagte sie am Donnerstag, »nicht jede wöchentliche Umfrage sollte in unserer Partei eine neue Strategiedebatte auslösen«. Seit Wochen verweist sie unermüdlich darauf, dass die strategische Orientierung der Partei im Wahlprogramm nachzulesen sei und so lange strategische Orientierung bleiben müsse, wie die dort enthaltenen Ziele nicht erfüllt seien. Zudem sieht sie ihre eigene und die Arbeit des Vorstandes von Gysi nicht zutreffend beurteilt. Es finde regelmäßig statt, was die Kritiker von ferne fordern. Und etwas spitz fügte sie hinzu: Natürlich sei sie »für jede praktische Idee und konstruktive Kritik offen. Im übrigen freue ich mich, wenn ich sie nicht erst aus der Presse erfahre. Das gute alte Gespräch sollte nicht aus der Mode kommen.«
Wo vorhanden, wird das Unbehagen in der Partei damit freilich nicht zu besänftigen sein. Und dass es sich dabei durchaus um inhaltliche Überlegungen handelt, die viele in der Partei für notwendig halten, kann als sicher gelten. So hatte vor der jüngsten Klausur der Bundestagsfraktion deren Parlamentarische Geschäftsführerin, Dagmar Enkelmann, im ND-Interview gesagt, die LINKE habe ihre neue Situation in einer gewandelten Opposition noch nicht verinnerlicht. Dass sie dies noch immer so sieht, bestätigte sie am Donnerstag. Es gebe neue gesellschaftliche Fragestellungen, auf die die LINKE Antworten finden müsse, sagte sie. So zeige sich in den außerparlamentarischen Protesten eine zunehmende Krise der Demokratie. Die Partei müsse ihre Handlungsfähigkeit nachweisen, indem sie diese zum Thema mache.
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