Scharia in Deutschland?
FAKTENcheck: Islamisches Recht
In Deutschland gelte das Grundgesetz und nicht die Scharia, erklärte jüngst Bundeskanzlerin Merkel. Die deutsche Regierungschefin bezog damit in der Debatte um die Äußerungen des Bundespräsidenten Christian Wulff Position, der Islam sei mittlerweile ein Teil der deutschen Gesellschaft.
Merkel hat allerdings Unrecht. Zumindest im Privatrecht wird einzelnen Normen der islamischen Rechtsordnung teilweise Rechnung getragen, und das schon seit vielen Jahren, ohne dass es darüber eine öffentliche Empörung gegeben hätte. Vor dem Bundessozialgericht in Kassel scheiterte zum Beispiel eine Witwe aus Marokko mit ihrer Klage gegen eine Zweitfrau ihres verstorbenen Mannes, mit der sie dessen Rente nicht teilen wollte. Sie verwies dabei auf das deutsche Recht, das Polygamie verbietet. Die Richter wiesen die Klage mit dem Hinweis auf die Scharia ab. Ähnlich argumentierte das Oberverwaltungsgericht Koblenz im Fall der Zweitfrau eines Irakers, die abgeschoben werden sollte. Die Richter gestanden der Frau ein Aufenthaltsrecht zu, da es ihr nach fünf Jahren Ehe in Deutschland nicht zuzumuten sei, allein in den Irak zurückzukehren.
Der Erlanger Jurist und Islamwissenschaftler Mathias Rohe hält das Nebeneinander von deutschem Recht und islamischen Rechtsnormen für einen »Ausdruck der Globalisierung«. Die Anwendung der Scharia habe natürlich dort Grenzen, wo sie den Grundrechten widerspreche, zum Beispiel bei Zwangsehen oder Steinigungen. »Andererseits besteht noch Informationsbedarf in der Mehrheitsbevölkerung über ›unproblematische‹ Aspekte der Scharia und den Grundsatz der Religionsfreiheit auch für Minderheiten«, betont Rohe. Es müsse deutlich gemacht werden, »dass deutsches Recht und muslimische Haltungen keineswegs im Gegensatz zueinander stehen müssen.« jam
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