Deutschlands erste Siedlung

Schwanfeld wurde bereits vor 7500 Jahren besiedelt. Jetzt öffnet dort ein besonderes Museum

  • Hannes Vollmuth, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Das unterfränkische Schwanfeld gilt als ältestes Dorf in Deutschland. Männer und Frauen aus Osteuropa sollen sich hier bereits vor 7500 Jahren niedergelassen haben. Ein neues Museum gibt von diesem Samstag an Einblicke in diese Epoche.

Schwanfeld. Hunderte Kilometer Fußmarsch liegen hinter der kleinen Gruppe aus Osteuropa. Die 40 Männer und Frauen wollen siedeln, Äcker bestellen und Tiere halten. Das Zeitalter der Jäger und Sammler ist nach zwei Millionen Jahre zu Ende, die »neolithische Revolution« hat begonnen: Erstmals werden Menschen auch in Deutschland sesshaft und betreiben Ackerbau.

7500 Jahre später steht der Frankfurter Archäologie-Professor Jens Lüning dort, wo alles anfing: im unterfränkischen Schwanfeld (Landkreis Schweinfurt). Dort erinnert von diesem Samstag an ein neues Museum an die erste Siedlung Deutschlands.

Älteste Nachweise

Vor mehr als 30 Jahren hatte der Wissenschaftler für Vor- und Frühgeschichte begonnen, in der 2000-Seelen-Gemeinde zu graben. Zutage gekommen sind die bis heute ältesten Nachweise für Besiedelung in Deutschland. »Hier gab es trockene Böden und warme Plätze«, erklärt Lüning die Entscheidung der Steinzeitbauern.

Mit der sogenannten Bandkeramik, die ihren Namen von der charakteristischen Ritzverzierung ihrer Tongefäße hat, kamen vor 7500 Jahren zum ersten Mal Ackerbau und Viehzucht nach Mitteleuropa. Mit weitreichenden Folgen, wie die Bandkeramik-Expertin Britta Ramminger von der Universität Hamburg erklärt: »Ab diesem Zeitpunkt werden Häuser gebaut, Bäume gefällt und in die Natur eingegriffen. Das Landschaftsbild ist seitdem von Feldern geprägt.« Brunnen, Keramikgefäße und Stühle halten Einzug in die Kultur Mitteleuropas.

Insgesamt zwölf solcher bandkeramischer Siedlungsplätze hat Lüning in den 70er und 80er Jahren europaweit untersucht. Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) grub der renommierte Vor- und Frühhistoriker mit seinen Studenten auch in Unterfranken. Er trug Bodenschichten ab, nahm Proben, fand Keramikscherben und legte zehn von insgesamt 18 Häusern der bandkeramischen Siedlung frei. Sechs Jahre dauerte das Projekt. 1985 stieß Lüning in Schwanfeld auch auf zwei Gräber, die ersten für die älteste Periode der Bandkeramik in Süddeutschland überhaupt. Zehn Jahre später ließ Lüning mit Hilfe der C14-Methode, bei der Knochen auf wenige Jahrzehnte genau datiert werden können, das Alter eines steinzeitlichen Bauern bestimmen. Um sicher zu gehen, kombinierte der Forscher das Ergebnis mit den Funden aus der Schwanfelder Grabung.

Archäologie zum Anfassen

Das damals führende Institut für die C14-Methode in Heidelberg bestätigte dem Wissenschaftler: Die ausgegrabenen Häuser sind rund 7500 Jahre alt und damit bis heute Deutschlands erste menschliche Besiedelung. Zumindest in der Fachwelt ist Schwanfeld seitdem eine Berühmtheit. Doch auch die Bewohner sind seit Lünings Erkenntnissen mächtig stolz auf die Vorgeschichte ihres Dorfes. Zwar kann von einer durchgängigen Besiedelung bis heute nicht die Rede sein. Schwanfeld nennt sich trotzdem gerne »ältestes Dorf Deutschlands«. Auf insgesamt 400 Quadratmetern werden die Funde jetzt erstmals auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Über 400 Ausstellungsstücke werden im neuen Bandkeramik-Museum zu sehen sein.

Um möglichst viele Menschen ins unterfränkische Schwanfeld zu locken, wolle man Archäologie zum Anfassen präsentieren, sagt Bürgermeister Richard Köth. Aus diesem Grund gibt es zu jedem der mehr als 400 Originale auch Repliken zum Anfassen.

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