Das Klimasystem als Versuchslabor

Artenschutzkonferenz debattiert über Moratorium für umstrittene Geo-Engineering-Projekte

  • Antje Schregel und Felix Werdermann
  • Lesedauer: 5 Min.
Kann Ingenieursarbeit die Erde umprogrammieren, sie im globalen Maßstab in die Zange nehmen und sie nach Bedarf zurechtschrauben? Auf der UN-Konferenz zur Artenvielfalt, die am Montag im japanischen Nagoya begonnen hat, könnte ein vorläufiger Stopp für sogenannte Geo-Engineering-Projekte beschlossen werden. Wissenschaftler kritisieren die unkalkulierbaren Risiken dieser Großversuche.

Künstliche Wolken und Vulkanausbrüche, riesige Spiegel im Weltall, die das Sonnenlicht reflektieren sollen, oder Eisensulfat, mit dem die Meere gedüngt werden – derartige Projekte, die dazu beitragen sollen, den Klimawandel in den Griff zu bekommen, sind unter der Bezeichnung »Geo-Engineering« bekannt.

Noch gibt es keine Folgenabschätzung

Über diese Thematik diskutieren auch Vertreter der 193 Unterzeichnerstaaten der UN-Konvention zur Artenvielfalt (CBD), die sich derzeit im japanischen Nagoya treffen. Im Mai hatte der wissenschaftlich-technische Ausschuss der CBD ein Moratorium für Geo-Engineering-Projekte empfohlen. Nun sollen die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie die umstrittenen Großversuche am Klimasystem weiterlaufen lassen, kontrollieren oder gar verbieten wollen. In dem Vorschlag heißt es, Geo-Engineering müsse solange unterbunden werden, bis die sozialen, ökonomischen und kulturellen Folgen sicher abgeschätzt werden könnten.

Die großtechnischen Eingriffe in das Klimasystem der Erde gelten als »Plan B« bei der Abschwächung der Erderwärmung – als Alternative zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Zu den Befürwortern des Geo-Engineering zählen vor allem Militärs und Industrievertreter, während viele Wissenschaftler und Umweltschützer skeptisch gegenüber den Versuchen sind.

Die britische Gelehrtengesellschaft »Royal Society« unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Methoden des Geo-Engineerings. Zum »Carbon Dioxide Removal« (CDR) gehören alle großtechnischen Verfahren, die der Atmosphäre das klimaschädliche Kohlendioxid zu entziehen versuchen. Zu dieser Kategorie wird von manchen auch die sogenannte CCS-Technik gezählt, bei der das CO2 aus den Abgasen von Kohlekraftwerken abgeschieden und anschließend in unterirdische Lagerstätten gepresst wird. Die Europäische Union fördert die Erprobung von CCS an Kohlekraftwerken. In Deutschland haben Wirtschafts- und Umweltministerium einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der auch in der Bundesrepublik vermeintlich klimafreundliche Kohlemeiler ermöglichen soll. Doch Umweltverbände und Bürgerinitiativen laufen dagegen Sturm. Sie befürchten, dass es bei der unterirdischen Verpressung zu Unfällen kommen könnte. Außerdem ist unklar, ob die Technik jemals wirtschaftlich sein wird. Viele Umweltschützer würden die Forschungsgelder lieber im Bereich der erneuerbaren Energien investiert sehen.

Auch das Düngen der Weltmeere gehört zur ersten Kategorie des Geo-Engineerings. Lebendige Algen binden dabei das Kohlendioxid und sinken, wenn sie tot sind, in die Tiefe. Mehr Algen bedeuten nach dieser vereinfachten Rechnung mehr gebundenes Kohlendioxid und damit eine Entlastung der Atmosphäre. Forscher sind auf die Idee gekommen, mit Eisensulfat das Algenwachstum zu beschleunigen. Ein Forschungsexperiment gab es zu Beginn des letzten Jahres. Wissenschaftler vom Alfred Wegner Institut für Meeres- und Polarforschung (AWI) verteilten dabei 20 Tonnen des Meeresdüngers auf eine Fläche von 300 Quadratkilometern. Doch genützt hat es nichts: Die Algen wurden von großen Ruderfußkrebsen gefressen. Für Aufsehen hat das Experiment dennoch gesorgt – wegen des Streits zwischen Umwelt- und Forschungsministerium; letzteres hatte den Großversuch auf hoher See genehmigt.

Eingriffe in die Sonnenbestrahlung

Bei der zweiten Kategorie, welche die »Royal Society« als »Solar Radiation Management« (SRM) bezeichnet, geht es um den direkten Eingriff in die Strahlungsbilanz der Erde. Darunter fällt zum Beispiel die Idee, riesige Spiegel im Weltall aufzustellen, um einen Teil des Sonnenlichts abzulenken. Als geeignete Stelle gilt der sogenannte Lagrange-Punkt, an dem weitestgehend Kräftefreiheit herrscht. Bislang scheint diese Methode allerdings sehr kostspielig zu sein.

Ähnlich könnten auch Aerosole wie Schwefeldioxid wirken. Mit Hilfe von Ballons oder Flugzeugen sollen Millionen Tonnen feinster Schwefelteilchen in einer Höhe von 10 bis 50 Kilometern in der Stratosphäre verteilt werden. Der Nebel würde dann das Sonnenlicht reflektieren und damit die Erde kühlen. Solche Phänomene sind bereits von Vulkanausbrüchen bekannt. So ist vor rund 20 Jahren die globale Temperatur um 0,5 Grad Celsius gefallen, nachdem der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen ausgebrochen war. Negativer Nebeneffekt: Das Ozonloch über der Antarktis ist auf Rekordgröße angewachsen. Damit der Schwefel Wirkung entfalten kann, müssten alle ein bis zwei Jahre soviel Schwefel-Aerosole in die Atmosphäre gepumpt werden wie beim Pinatubo-Vulkan.

Auch das Forschungsprojekt »Silver Lining« – zu deutsch: Silberstreifen – gehört zu den SRM-Methoden. Die Idee: Schiffe mit gigantischer Technik an Bord sollen auf den Ozeanen Wasser aufsaugen. Anschließend wird dieses als Wasserdampf in die Atmosphäre freigesetzt. So sollen künstlich weiße Wolken produziert werden, die das Sonnenlicht reflektieren und damit die weitere Erwärmung des Globus aufhalten. Gefördert wird das Projekt von Multimilliardär Bill Gates. Er bezeichnet den Klimawandel als »größte Herausforderung der Menschheit« und Geo-Engineering als »Versicherungsmethode«. Wie die britische »Times« berichtet, investiert er 300 000 US-Dollar in die künstlichen Wolken.

Gegen dieses Projekt könnte aber der Weltklimarat IPCC Bedenken anmelden: Laut dem IPCC-Bericht von 2007 sind Wolken nämlich ein großer Unsicherheitsfaktor in der Klimaforschung. Einerseits behindern sie das einfallende Sonnenlicht und sorgen für Kühlung, andererseits wirken sie wie eine große Bettdecke, die die Erdwärme zurück zur Erde reflektiert.

Keine Option für die nächsten Jahrzehnte

Kritiker wie die britische »Royal Society« betrachten das Geo-Engineering als »potenziell gefährlich«. Die Folgen seien nicht absehbar und die technische Umsetzung sei wenig erforscht. Auch der Potsdamer Klimaforscher und Ökonom Ottmar Edenhofer schreibt, der praktische Einsatz des Geo-Engineerings liege noch in weiter Ferne – für die nächsten Jahrzehnte sei dies keine Option, die eine nähere ökonomische und politische Analyse verdiene.

Im April dieses Jahres haben sich daher auch 60 Umweltorganisationen zu einer Kampagne gegen Geo-Engineering zusammengeschlossen. »Hands off Mother Earth« – zu deutsch: Hände weg von Mutter Erde – heißt das Motto, das auf dem alternativen Klimagipfel im bolivianischen Cochabamba beschlossen wurde. Pat Mooney, Träger des Alternativen Nobelpreises und Chef der kanadischen Nichtregierungsorganisation ETC Group, sagte klipp und klar: »Regierungen, die Jahrzehnte damit verbracht haben, Imageprobleme zu ignorieren und nicht einmal den minimalen Kyoto-Zielen gerecht werden, sollten die Hand nicht an den globalen Thermostat legen dürfen.«

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