17 000 Häuser ohne Flutschutz
Nach »Versicherungsgipfel« in Sachsen fordert LINKE erneut allgemeine Pflichtversicherung
Geflieste Wände im Parterre, Kellerfenster, die wasserdicht zu verriegeln sind, und elektrische Geräte, die nur im Obergeschoss gelagert werden – solche Ratschläge erteilt die Versicherungswirtschaft, wenn es um die Vorsorge gegen Schäden durch Hochwasser geht.
Einer nennenswerten Zahl von Gebäude-Eigentümern in Sachsen können die Versicherer indes nicht viel mehr als derlei mehr oder weniger sinnvolle Tipps mitgeben: 98,3 Prozent der Bürger, hieß es bei einem nach dem August-Hochwasser von der Landesregierung geforderten und jetzt in Dresden abgehaltenen Versicherungsgipfel, könnten sich zwar unkompliziert gegen Fluten versichern. Für 1,7 Prozent, so wird eingeräumt, gebe es jedoch keine Lösung. Das heißt: 17 000 Wohngebäude, die direkt an Flüssen stehen und im Durchschnitt alle zehn Jahre von einem Hochwasser getroffen werden, bekommen keinerlei Versicherungsschutz.
Viele Sachsen sorgen vor
Damit sei, sagt Linksfraktionschef André Hahn, eine Behauptung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) widerlegt, die er im Streit um die Fluthilfen vom August stets wiederholt hatte: Die Bürger müssten zuvörderst Eigenvorsorge betreiben.
Dennoch wiederholte Tillich diesen Appell auch nach dem Versicherungsgipfel, an dem neben Vertretern der Versicherer auch Vertreter von Kommunen und Wirtschaft teilnahmen. Jedem müsse klar sein, dass nicht automatisch der Staat einspringe, wenn er sich trotz vorhandener Möglichkeiten nicht versichert. Der Staat, sagte er, könne »nur noch in Ausnahmefällen einspringen, so dass niemand in seiner Existenz bedroht wird«. Dazu zählten eben jene nicht versicherbaren Haushalte. Für diese müssten nun »individuelle Lösungen« entwickelt werden.
Zahlen der Versicherungsbranche zufolge kümmern sich bereits jetzt in Sachsen überdurchschnittlich viele Bürger um Vorsorge. Im Freistaat besäßen 40 Prozent der Wohngebäude eine Versicherung gegen Elementarschäden; im Bundesdurchschnitt seien es nur 26 Prozent. Eine Kampagne soll nun bewirken, dass angesichts häufigerer Unwetterereignisse »die Risikogemeinschaft gestärkt« wird und so die Versicherungsprämien stabil gehalten werden könnten.
Allerdings räumt der Branchenverband GDV ein, dass es auch in Zukunft »unversicherbare« Häuser geben werde. Diese fallen in die schlechteste von vier Kategorien in einem von den Versicherern entwickelten Informationssystem mit der Bezeichnung ZÜRS, das Gefahrenklassen festlegt und Hausbesitzern bei der Einschätzung der eigenen Lage helfen soll. Hahn bezeichnete das Treffen angesichts vager Ergebnisse als »Gipfel der Banalität«: Wer vermutlich nie von Fluten betroffen sei, könne sich dagegen versichern; wen aber Hochwasser regelmäßig treffe, der erhalte keinen Vertrag.
Und Tillich zögert
Linksfraktionschef Hahn erneuerte seine bereits früher geäußerte Forderung nach einer allgemeinen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden für alle Bürger. Erfreut äußerte er sich darüber, dass Tillich die Idee offenbar aufgreife, wenn auch zögerlich.
Auch SPD-Fraktionschef Martin Dulig betonte, es müsse sich jeder Hauseigentümer gegen Elementarschäden versichern können. Solange die Möglichkeit nicht für alle bestehe, seien Appelle für mehr Eigenverantwortung »zynisch«.
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