Hausverkauf als Minusgeschäft
Neuer Ausschuss zum Sachsen-Sumpf hört erste Zeugen in Sachen Leipziger Immobiliendeal
Die Aufklärung begann mit einem Tauziehen. Sie wolle »keine Spielverderberin« sein, sagte Annett S., Referatsleiterin im Landesrechnungshof. Allerdings sei sie nicht befugt, mehr über eine brisante Prüfmitteilung der sächsischen Kassenprüfer zu einem fragwürdigen Immobilienverkauf in Leipzig zu sagen, als im Bericht selbst steht. Das habe ihr Chef entschieden, und die Abgeordneten wüssten, was »mit Landesbediensteten hier in Sachsen passiert«, die derlei Anweisungen nicht befolgten. Erst nach einem Rückruf bei Rechnungshofdirektor Karl-Heinz Binus konnte die Befragung beginnen.
Damit wird nun auch öffentlich der zweite Versuch unternommen, Licht in die Vorgänge um den ominösen »Sachsen-Sumpf« zu bringen, die ab Mai 2007 bundesweit für Schlagzeilen sorgten. Damals war von »korruptiven Netzwerken« die Rede, in denen unter anderem Justizbeamte und organisierte Kriminalität verbandelt seien.
Es kursierten Berichte über Vorfälle aus dem Rotlichtmilieu und bei fragwürdigen Immobiliengeschäften. Auf dem Höhepunkt der Aufregung warnte der CDU-Innenminister Albrecht Buttolo im Landtag, das organisierte Verbrechen könne zurückschlagen, wenn ihm allzu eng auf die Pelle gerückt werde.
Zwei Drittel offene Fragen
Die große Aufregung mühte man sich indes bald zu dämpfen: Nach Prüfung der Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft sagte der damalige CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt, man habe nur »heiße Luft« gefunden. Ein von der Opposition eingesetzter Untersuchungsausschuss im Landtag wurde enorm behindert; erst nach einer Klage beim Verfassungsgericht konnte er 2008 überhaupt mit der Arbeit beginnen. Als 2009 die Wahlperiode zu Ende ging, war gerade einmal ein Drittel der Fragen geklärt. Als der neue Landtag gewählt war, entschlossen sich daher LINKE und Grüne sowie die nun oppositionelle SPD, die Untersuchung fortzusetzen. Die gestrige Anhörung ließ ahnen, dass dies ein zähes Geschäft wird. Das Gremium befasst sich zunächst mit einem dubiosen Immobilienverkauf im Leipzig der 90er Jahre, dessen Folgen später auch die Polizei und das OK-Referat des Verfassungsschutzes beschäftigten.
Eine 15 000 Seiten dicke Aktensammlung dieser Behörde stand am Anfang der Sumpf-Affäre. In einem dort bearbeiteten Komplex geht es um das Haus Riemannstraße 52 in Leipzig. Dieses hatte die Münchner Rechtsanwältin Sieglinde B. gekauft, die bei der Sanierung – so der Rechnungshof in einem 2009 veröffentlichten Prüfbericht – einen »nicht gerechtfertigten Subventionsvorteil von rund einer Million Euro« erhielt. Zudem kam sie zum Zuschlag, obwohl sie als Kaufpreis nur 360 000 Mark bot, 320 000 Mark weniger als zwei Mitbewerber. B. habe über »beste Beziehungen« in die Stadtverwaltung verfügt, erklärte die Zeugin, die den Prüfbericht erstellt hatte, gestern. Auf die Frage von Ausschusschef Klaus Bartl (LINKE), ob der Verkauf unter Wert für den damaligen Verkäufer, die Leipziger Wohnungsgesellschaft LWB, Vorteile gehabt habe, sagte sie: »Gar keine.« Die LWB habe im Gegenteil rund 27 000 Mark draufgezahlt.
Attentat auf Manager
Der Verkauf hatte ein böses Nachspiel: Auf den zuständigen LWB-Manager wurde später ein Anschlag verübt. Die Attentäter wurden teils zu lebenslänglicher Haft verurteilt, während ihre Auftraggeber nur eine milde Geldstrafe von 2500 Euro erhielten.
In derlei Merkwürdigkeiten will das Gremium ebenso Licht bringen wie in die Verbindung zwischen direkt und indirekt Beteiligten des Immobiliendeals und Vorgängen um ein Bordell namens Jasmin, in dem auch Minderjährige zur Prostitution gezwungen wurden. Nach dessen Auflösung wurde der Betreiber nur zu einer eher kurzen Haftstrafe verurteilt. Der zuständige Richter war der spätere Ehemann der Besitzerin des Hauses Riemannstraße 52.
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