300 Euro Miete für die eigene Garage

Nach Streit in Leipzig lenkt Rathaus etwas ein

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
In Leipzig stehen 11 000 Garagen auf städtischem Grund. Einigen Pächtern wollte das Rathaus kündigen und den Auto-Unterstand teurer vermieten. Nach lautstarken Protesten wird nun aber zunächst nachgedacht.

Metalltore, gemauerte Wände, ein Dach: Die Garagen hinter der »Roten Schule« im Leipziger Stadtteil Stötteritz sehen nicht sehr spektakulär aus. Aber an den Auto-Unterständen hängt Herzblut. Bevor im Jahr 1985 mit dem Bau begonnen werden konnte, mussten Ämter bekniet und Materialien auf abenteuerliche Weise besorgt werden, erinnert sich Reiner Nissen, Chef der 29 Mitglieder zählenden Garagengemeinschaft. Nur zu verständlich, dass diese kürzlich in Aufruhr gerieten: Das Rathaus kündigte ihre Pachtverträge. Zugleich wurde den Betroffenen angeboten, die Garagen zu mieten.

Anlass für die Kündigungen ist die miese Finanzlage der Stadt, Hintergrund ist das »Schuldrechtsbereinigungsgesetz« von 1994, das viele Ost-Garagenbesitzer seit Jahren in Aufregung hält. Sie hatten ihre Garagen auf Flächen errichtet, die in der Regel volkseigen waren. Eine solche Trennung von Immobilien- und Grundbesitz ist im bundesdeutschen Recht nicht vorgesehen. Seit 2007 sind daher Kündigungen der Garagenverträge zulässig. Um den sozialen Frieden zu wahren, wurde in Leipzig wie in anderen Städten aber beschlossen, vom Kündigungsrecht keinen Gebrauch zu machen und »grundsätzlich keine Veränderung« der Pachtverhältnisse vorzunehmen, wie ein Ratsbeschluss besagt.

Bisher 122,71 Euro Pacht

Drei Jahre später indes sind die Kassen der Stadt leer. Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen stieß man auf die Garagennutzer, die momentan 122,71 Euro Pacht im Jahr zahlen. Laut den Mietverträgen, die der Stötteritzer und einer anderen Garagengemeinschaft angeboten wurden, sollen es künftig 25 Euro Miete sein – im Monat. Jährlich wären so 300 Euro fällig. Nissen und seine Garagennachbarn sind empört, zumal nicht nur die Kosten steigen. Den künftigen Mietern obläge auch die Instandhaltung, ohne dass sie dafür bei Vertragsende entschädigt würden.

Von »Unrecht hoch drei« spricht Nissen, der zudem vermutet, das Rathaus wolle einen »Versuchsballon« starten und ähnliche Regelungen für weitere der 11 000 Garagen in Leipzig durchsetzen: »Folge wäre ein Dammbruch.« Alle 29 Pächter widersprachen, Nissen hat zudem SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung per Brief an sein Wahlversprechen in Sachen Garagen-Frieden erinnert. Im ND-Gespräch erklärt Nissen indes auch, den Garagenpächtern sei die Finanznot der Stadt bewusst. Man sperre sich daher nicht gegen eine »moderate Anhebung« der Pacht: »Aber enteignet werden wollen wir nicht.«

Kündigungen auf Eis

Enteignen wolle auch er niemanden, beteuert Heiko Rosenthal, der Ordnungsbürgermeister, in dessen Zuständigkeit die Stötteritzer Garagen fallen. Zugleich verweist der Linkspolitiker aber auf die »Eigentümerposition« der Stadt, die sich aus dem Gesetz von 1994 ergibt. Allerdings räumt er ein, dass es sich um eine sehr »heiße Kartoffel« handelt.

Die will man im Rathaus zunächst abkühlen lassen: In einer Erklärung heißt es, man wolle die Frage nochmals prüfen; das Dezernat Wirtschaft, das für den Großteil der Garagen zuständig ist, solle einen »einheitlichen« Vorschlag zum weiteren Vorgehen erarbeiten. Man werde die »berechtigten Interessen der Garagenbesitzer trotz der angespannten städtischen Haushaltslage berücksichtigen«, erklärte Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht von der CDU. Die ausgesprochenen Kündigungen sollten geprüft werden.

Wie die Lösung aussehen könnte, ist nach Ansicht Rosenthals offen. Eine Anhebung des Pachtzinses setze ein Bodenwertgutachten voraus, das nicht vorliege. Dagegen könne sich das Rathaus bei einer Vermietung an vergleichbaren Sätzen orientieren. Allerdings hätte die Stadt als Vermieter umfangreichere Pflichten – Pflichten, wie sie bisher zumeist von Pächtern mit viel Herzblut erfüllt werden.

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