Frische Brise für die Seehäfen
Maritime Branche investiert Milliarden – der Ausbau der Windkraft verspricht gute Profite
Der Umschlag in den deutschen Seehäfen zieht schneller wieder an als zunächst erwartet. Darauf wies der Präsident des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Detthold Aden, am Dienstag in Hamburg hin. Auch die meisten Häfen an der Ostsee werden demnach in diesem Jahr wieder ein zweistelliges Wachstum erreichen. Der Vorkrisenumschlag ist damit allerdings noch nicht wieder erreicht. Trotzdem investieren die Seehäfen schon wieder Milliarden in neues Wachstum. Galten bis zur großen Krise letztlich überdimensionierte Containerterminals als Glücksbringer, sollen zukünftig Flächen für Offshorewindparks den nächsten maritimen Boom bescheren.
Das Flagschiff der Branche, der Hamburger Hafen, rechnet für dieses Jahr mit einem Plus beim Containerumschlag im zweistelligen Bereich. Für 2011 wird weiteres Wachstum erwartet. Auch Bremen und die Seehäfen in Mecklenburg-Vorpommern freuen sich wieder über rasant steigende Umschlagzahlen. »Die Talsohle ist durchschritten«, versichert Volker Schlotmann, Verkehrsminister in Schwerin. Doch das Vorkrisenniveau ist noch längst nicht wieder erreicht. Mit einem Seegüterumschlag von 284 Millionen Tonnen sind bundesweit erst rund 40 Prozent des Umsatzeinbruches von 2009 wieder aufgeholt.
So ganz trauen die Hafenmanager denn auch dem jüngsten Rohstoff- und Containeraufschwung nicht. Sie halten Ausschau nach neuartigen Geschäftsfeldern. Eine Idee ist die vermehrte Ansiedlung von Industrie, und das größte Potenzial verspricht die Windenergie. Zukünftig sollen Tausende von Windrädern im Meer aufgestellt werden. Der Baukonzern Hochtief, der selbst Offshorewindparks errichten will, erwartet, dass ab 2012 vor Europas Küsten jährlich 800 Offshoreanlagen installiert werden. Doch bevor der maritime Ökostrom fließen kann, braucht es
zunächst riesige Hafenflächen.
In der Nord- und der Ostsee ist daher in fast allen Seehäfen Goldgräberstimmung ausgebrochen. Bremens Hafenchef Detthold Aden spricht denn auch gleich von einem »Strukturwandel«: Autoimport und Container seien out, Offshorekraftwerke in. Schon in drei, vier Jahren soll das Windgeschäft 100 Millionen Euro zum Hafenumsatz von rund einer Milliarde beitragen.
Doch nicht allein in Bremen und Bremerhaven wird in Windkraft investiert, sondern auch im benachbarten Cuxhaven an der Elbmündung, und auch auf der anderen Stromseite setzt die Stadt Brunsbüttel auf Rückenwind durch Windkraft. Die Elbe hinunter schläft die Konkurrenz ebenfalls nicht: Selbst Global Player Hamburg erwägt den Umbau seines Hafenherzes Steinwerder zu einem windigen Industriegebiet. So hat die Rhenus-Gruppe beste Chancen, das 125 Hektar große und bislang von kleinen Hafenfirmen genutzte Areal für die Montage von Windenergieanlagen verwenden zu können.
An der Ostsee sollen ebenfalls Windparks für volle Kais sorgen. Der Kranbauer Liebherr errichtet in Rostock für 163,5 Millionen Euro eine 500 Meter lange Halle für Offshoreanlagen, und in Sassnitz auf Rügen wurde gerade ein neuer 205 Meter langer Kai eröffnet. Erwartete Nutzung: Umschlag von Anlagenteilen für die Offshorebranche. Neun Millionen Euro flossen aus Bundes-, Landes- und EU-Mitteln dafür auf die Insel. Gut angelegte Subventionen, meint der Seehafenverband. »Der Kuchen ist groß genug«, versichert ein ZDS-Sprecher. Ängste vor Überkapazitäten seien unbegründet.
Nicht allein vor Überkapazitäten bei Windhäfen warnt dagegen der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. »Die Häfen setzen wieder auf Boom, statt mittelfristig eine Kapazitätsanpassung vorzunehmen.« Obendrein kämen mit dem Tiefseehafen in Wilhelmshaven bald noch zusätzliche Großkapazitäten hinzu. Auch Professor Orestis Schinas, Logistikexperte an der privaten Hamburg School of Business Administration, hält eine zu starke Ausrichtung auf Offshoreanlagen für »gefährlich«. Es stelle sich die Frage, was nach fünf oder zehn Jahren geschehe, wenn die meisten Windparks im Meer fertig errichtet seien. Den Häfen drohe dann eine neue Flaute.
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