Immer wieder grüßt der brave Soldat

In der Wojewodschaft Podkarpackie getroffen: ein Jude im Geiste, zwei Aussteiger und Schwejk

Der Jezioro Solinski (Solina-Stausee) ist ein Paradies für Wassersportler.
Der Jezioro Solinski (Solina-Stausee) ist ein Paradies für Wassersportler.

Bärige Geschichten kann hier wohl jeder erzählen. Und manch einer glaubt das »Bärenlatein« wohl schon selbst oder meint, dass er den Touristen einen Bären aufgebunden hat. Es ist recht einsam hier im südöstlichsten Zipfel Polens, in der Wojewodschaft Podkarpackie, im Dreiländereck Polen-Ukraine-Slowakei. Und wenn sich dann Wolf, Fuchs und Hase irgendwo im Bieszcady-Gebirge gute Nacht sagen, dann sieht man in Gedanken schon mal den wilden Bären.

Der Direktor des Bieszczady-Nationalparks, Richard Predki, sagt etwas bedauernd, er habe ihn noch nie gesehen, aber immerhin sei seine Frau schon mal einem begegnet. Auch der Schiffskapitän vom Solina-Stausee will ihn gesehen haben. Der Bär habe eine Frau verletzt, die Geweihe suchte, die Hirsche bei Kämpfen verloren hatten. Dann war da noch die Frau, die von einem angegriffen wurde, aber überlebte, weil ihr Mann rechtzeitig kam und den Bären erschreckte ...

Wir haben Meister Petz nicht getroffen. Dafür aber auf dem Solina-Stausee im Nationalpark – dem größten Freizeitzentrum der Region – zwei Aussteiger und Weltenbummler und im Städtchen Sanok den braven Soldaten Schwejk.

Von Tschechien kommend zog Schwejk einst über Österreich, Ungarn, die Slowakei und Polen in die Ukraine. Nun sitzt der Arme recht erschöpft auf einer Bank in Sanok, direkt vor einem Dessousladen. Seine bronzene Nase ist abgewetzt, denn es soll Glück bringen, sich an ihr zu reiben. Seinerzeit soll der echte Schwejk oft hier gesessen und auf seinen Leutnant gewartet haben, während der sich in einem Bordell vergnügte. Heute führt eine 200 Kilometer lange Etappe des internationalen Wanderweges »Auf den Spuren des braven Soldaten Schwejk« durch Polen. Schwejks Spuren sind auch mit dem Fahrrad oder motorisiert zu erforschen. An der Strecke informieren Tafeln über sein schlitzohriges Soldatenleben und über die Geschichte der Region zu Zeiten des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs.

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In Lancut an der Jan-III-Sobieski-Straße Nr. 16 steht eine Synagoge, die 1761 an der Stelle eines Vorgängerbaus von 1610 errichtet wurde. Heute wird sie – eine der schönsten in Polen – nicht mehr als jüdisches Gotteshaus genutzt. Sie steht unter Denkmalschutz, ist für Touristen geöffnet. Ein kleiner, freundlicher Mann empfängt uns. Miroslaw Kedzior ist kein wirklicher, sondern Jude im Geiste. »Meine Seele ist jüdisch. Der jüdische Glaube fasziniert mich schon lange«, sagt er. Jeden Tag führt er Besucher durch das Haus. »Am wichtigsten ist für mich der Kontakt mit jungen Menschen. Ich will ihnen nicht nur Steine zeigen, sondern ihr Denken beeinflussen. Ich möchte dazu beitragen, dass Menschen verschiedener Religionen friedlich zusammenleben. Und das Entscheidende: dass man ein guter Mensch ist«, sieht Miroslaw Kedzior, der bei einer Stiftung zum Schutz der jüdischen Kultur angestellt ist, seine Lebensaufgabe.

Die Synagoge wurde einen Meter tief in die Erde gebaut, um an Höhe zu gewinnen, denn eine Synagoge darf in Polen die Kirchturmspitze nicht überragen. Schwejks Schlitzohrigkeit lässt grüßen!

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Vielleicht war der brave Soldat ja auch am Solina-Stausee. Dort lernen wir Jan Zajda und Tadeusz Gurgul kennen und »Tramp«. Das ist ihr Schiff. Mit ihm erfüllten sich die 65-Jährigen, die seit Sandkastenzeiten Freunde sind, vor 15 Jahren einen Lebenstraum. Und schippern seitdem mit 180 PS und Touristen an Bord über den 22 Quadratkilometer großen Stausee. Für Wassersportler – egal ob Segler, Ruderer, Schwimmer oder Angler – ist er ein Paradies. Jan und Tadeusz sind »Waldmenschen«. So nennt man hier Leute, die ihr altes Leben hinter sich gelassen haben und woanders neu anfingen – Aussteiger eben. Beide lieben den Herbst besonders, die Laubfärbung hier sei märchenhaft, schwärmt Jan, der ehemalige Polizist, während Tadeusz, einst Kapitän bei der polnischen Armee, zum Feierabend das Schiff vertäut. »Im Winter wollen wir mit dem Auto nach Griechenland, wenn unsere Frauen es erlauben.« Waldmenschen sind eh nicht zu bändigen. Lächelnd verschwinden Jan und Tadeusz in ihrer Holzhütte, nur zehn Schritte vom See entfernt – und träumen im polnischen Herbst von griechischer Sonne.

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Radfahrer können in der Region ihr grünes Wunder erleben – auf dem 350 Kilometer langen Radweg »Das grüne Fahrrad«, der durch das Bieszczady-Gebirge und auch durch die Ukraine und die Slowakei führt. Beim Grenzübertritt zur Ukraine allerdings lässt wieder unser Freund Schwejk grüßen. An manchen Grenzübergängen ist die Einreise in die Ukraine mit dem Fahrrad verboten. Die absurd einfache Möglichkeit, das Verbot zu umgehen: Das Fahrrad wird in einen Bus oder auf das Autodach geladen und damit die Grenze überfahren. Das nämlich ist erlaubt. »Wir warten auf Normalität in den Beziehungen mit der Ukraine«, erklärt Boguslaw Pyzocha. Er ist der Vorsitzende der »Stiftung Bieszczady«, die für den Rad- und Reittourismus und die Wanderwege verantwortlich ist.

Sein Büro gibt es seit vier Jahren. »Wir sind die einzige Einrichtung in der Wojewodschaft, die nur Ökotourismus verkauft«, erzählt Boguslaw Pyzocha stolz. Alles Motorisierte hat auf »seinen« Wegen Hausverbot. Ist dann im Winter alles verschneit, kann das Fahrrad gegen Ski oder Schneeschuhe getauscht werden.

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Am Ende unserer Tour fragen wir uns: Warum haben wir eigentlich nicht einen einzigen Bären oder wenigstens einen Wolf getroffen? Dabei ist die Erklärung doch so einfach: Weil die Reise ja unter dem Motto »Auf den Spuren von Bären und Wölfen« und nicht »Aug in Aug« mit ihnen stand. Grüß Gott, Herr Schwejk ...

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