Freisprüche für Temposünder – wenn diese Urteile Schule machen ...

Streit um Radarfallen

Im Allgemeinen kann Rasen teuer werden – und das ist gut und richtig so, weil es um die Verkehrssicherheit geht. Nun aber hat ein Richter im ostwestfälischen Herford (nahe Bielefeld) diese allgemein gültige Praxis auf den Kopf gestellt.

Der Verkehrsjurist Helmut Knöner weigerte sich, Temposünder zu bestrafen und sprach in den letzten Wochen bereits 42 geblitzte Autofahrer frei. Er vermutet »Geldschneiderei« als Motiv vieler Radarfallen und kündigte an, weitere Temposünder unbehelligt zu lassen, bis sich an der Gesetzgebung etwas ändert.

Nach Ansicht des 62-Jährigen, der seit mehr als 30 Jahren am Amtsgericht Herford tätig ist, sei das Gesetz lückenhaft: »Es gibt keine verbindlichen Regeln, wann und wo und mit welchen Geräten die Geschwindigkeit gemessen wird.« Es müsse geklärt werden, dass es beim Blitzen um die Verkehrssicherheit und nicht ums Geldverdienen gehe. Oft sei unklar, warum an manchen Orten Radarfallen aufgestellt werden. »Die Frage, aus welchen Motiven geblitzt wird, ist bisher nicht beantwortet«, so der Richter. Dafür müsse eine Kontrolle stattfinden. »Hiefür fehlen jedoch gesetzliche Regeln.«

»Wenn man vom Gesetzgeber verlangt, er müsse festlegen, wo und wie gemessen wird, ist das nicht zumutbar«, warnte der Leiter Verkehrsrecht des ADAC, Markus Schäpe. Eine solche Regelung öffne Tür und Tor für einen »Blitzatlas«. Raser erhielten eine Art »Freibrief« für Strecken ohne Radarfallen. Eine Ankündigung von Blitzern ginge zulasten der Verkehrssicherheit.

Zur Kritik des Richters an der rechtlichen Grundlagen für Foto- oder Videoaufnahmen äußerte der ADAC-Experte: »Es ist zulässig, Fotos zu machen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.«

In das gleiche Horn wie der Herforder Amtsrichter stößt der Deutsche Anwaltverein (DAV), der feststellt, Tempomessanlagen würden häufig zum Abkassieren installiert. »Die Anlagen werden nicht dort aufgebaut, wo sie am meisten Verkehrssicherheit schaffen könnten«, beklagt Jörg Elsner, Vorsitzender der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. »Stattdessen werden die Messungen an vierspurigen Ausfallstraßen gemacht, weil man dort Geld verdienen kann.«

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld kündigte an, den Massenfreispruch von Herford zu prüfen und eventuell Rechtsbeschwerde einzulegen. Aber es wird noch einige Zeit dauern, bis hier eine Entscheidung vorliegt.

Verkehrsexperten glauben indes nicht, dass Temposünder anderswo von der Herforder Urteilspraxis profitieren. Denn jedes Urteil ist eine individuelle Entscheidung, und es gibt keinen Aussetzungsgrund für andere Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Die Raser sind also zu warnen: Wer geblitzt wurde und noch eine Rechnung offen hat, muss zahlen!

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