Feldbefreiung wegen »Notstands«
Gentechnikgegner stehen vor Gericht
Lautstarke Proteste von Gentechnikgegnern einerseits und andererseits Vertretern des Landesbauernverbandes, des Forums »Grüne Zukunft« sowie weiterer Vereine und Verbände, die Feldzerstörungen ablehnen, bestimmten gestern die Fortsetzung eines seit über zwei Monaten währenden Prozesses gegen sechs selbst ernannte »Feldbefreier« in Aschersleben. Sie rechtfertigen die Zerstörung von 4574 transgenen und 2611 Kontroll-Winterweizenpflanzen am 21. April 2008 mit Notstand.
Staatsanwältin Cordula Neubauer forderte am Mittwochnachmittag Haftstrafen zwischen vier Monaten und drei Monaten und zwei Wochen, zu zwei Jahren auf Bewährung. Sie verwies darauf, dass die Angeklagten – vier von ihnen sind wegen ähnlicher Taten bereits rechtskräftig verurteilt – im Prozessverlauf keinerlei Einsicht erkennen ließen. Der Eigentümer des Feldes, das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben (Salzlandkreis) hat in einem Zivilverfahren auf Schadensersatz in Höhe von 245 000 Euro geklagt.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte indes Freispruch für die Sechs. Bundesgeschäftsführer Georg Janßen erklärte: »Wenn etwas eingepflanzt oder gesät ist, zerstört man es nicht. Dies entspricht bäuerlichem Denken und Handeln. Wenn aber wertvollste Pflanzenbestände und alte Kultursorten bewusst der Gefahr einer gentechnischen Kontamination ausgesetzt werden, dann sieht die Sache anders aus.«
Eine der Angeklagten verwies am Rande des Prozesses darauf, dass die Feldbefreier sich durch das gerade bekannt gewordene Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter bestätigt sähen. »Genveränderte Pflanzen auf den Feldern gefährden die Biodiversibilität. Die Mehrheit der Bürger will keine Gentechnik. Darum ist es gut, dass der für uns eh schon zu weite Rahmen nicht weiter ausgedehnt wird, wie es hier in Sachsen-Anhalt versucht wurde.« Ein anderer Feldbefreier stellte klar, dass genau mit diesem Ziel die Pflanzen zerstört wurden. »Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und haben zu diesem Mittel greifen müssen.« Die Angeklagten hatten gestern unterstellt, dass »ein Filz im Land Sachsen-Anhalt, wo Antragsteller für den Anbau von GVO-Weizen mit den Überwachern im gleichen Verein sitzen«, andere demokratische Einspruchsformen unmöglich machten.
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