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Ritt auf dem toten Pferd
Nun also doch: Irland ist unter den europäischen »Rettungsschirm« geschlüpft. Dies wird weitreichende Folgen auch für die Sozialsysteme auf der »grünen Insel« haben. Die Regierung in Dublin hat schon drastische Streichungen angekündigt. Einmal mehr kann man die Auswirkungen verfehlter neoliberaler Wirtschafts- und Finanzpolitik besichtigen. Der Fehler, einen Binnenmarkt geschaffen zu haben, ohne auch die Wirtschafts- und Fiskalpolitiken untereinander abzustimmen, rächt sich auf dramatische Weise. Deregulierung der Finanzmärkte, Steuerdumping und fehlende Grenzen für die und strikte Kontrollen der Spekulanten sind dabei die Stichworte.
In Griechenland und Irland bezahlen die Menschen die Zeche für ein Europa auf dem falschen Gleis. Portugal und Spanien sind davon nicht mehr weit entfernt. Die EU-Kommission und die europäischen Regierungschefs verdoppeln nun die Geschwindigkeit in die falsche Richtung. Harte monetäre Sanktionen gegen ohnehin schon überschuldete Staaten gleichen einem »brutalst möglichen« Strafvollzug. Die beschlossene Austeritätspolitik kürzt Lohn- und Sozialeinkommen. Die Kürzungen bei gesellschaftlich notwendigen Aufgaben zur »Haushaltskonsolidierung« schwächt die schwache Binnennachfrage noch weiter. Staatliche Investitionen in Infrastruktur werden zurückgefahren. Stattdessen wird weiter privatisiert. Schwache Binnennachfrage mindert darüber hinaus das Steueraufkommen, Privatisierung demokratische wirtschaftliche Einflussmöglichkeit. Und sie gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge. Private Investitionen unterbleiben wegen geringerer Nachfrage und neue Sparorgien folgen zwangsläufig. Weitere monetäre Strafaktionen der EU verschärfen das alles zusätzlich. Vermögende und Banken bleiben ungeschoren, Spekulanten dürften jubeln.
Was wäre zu tun? Zunächst müsste die EU den in Not geratenen Mitgliedern den Druck der Spekulanten nehmen, z. B. mit dem Kauf von griechischen Staatsanleihen zu einem vertretbaren Zinssatz durch die EZB. Das allerdings verbietet der Lissabon-Vertrag. Dieses »Bail-out«-Verbot muss weg, damit Hilfen anderer Mitgliedstaaten möglich werden – genau jene europäische Solidarität, die von den Menschen eigentlich mit dem Projekt Europa verbunden wurde. Element für eine »Economic Governance« wäre eine Europäische Risiko- und Entwicklungsbank, die Anleihen der Mitgliedstaaten kauft und zu günstigen Konditionen Kredite an diese ausreicht. Zusätzliche Euro-Bonds – europäische Staatsanleihen – könnten den Druck zusätzlich erheblich reduzieren. Nicht Defizitsünder, sondern jene Länder, die durch massives Lohn- und Sozialdumping ihre »Wettbewerbsfähigkeit« zu Lasten der Anderen ausgebaut haben, müssen sanktioniert werden. Ein konditionierter EU-Entwicklungsfonds, gespeist aus einem Teil der Handelsbilanzüberschüsse, wäre ein Korrekturinstrument.
Es muss das »Scharfrichterschwert« des Stabilitäts- und Wachstumspakts revidiert und durch einen Pakt für wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und soziale Sicherheit ersetzt werden. Eine Verpflichtung von EZB und EU auf sozialen Fortschritt – im Lissabon-Vertrag bisher reine Rhetorik – wäre dringend nötig. Es muss in der EU künftig um die Menschen gehen. Hier klaffen arm und reich immer weiter auseinander. Selbst in der Krise wurden die privaten Vermögen noch vergrößert. Die gerechte Verteilung dieses Reichtums ist eine Zukunftsfrage. Um diese mit sozial gerechter Umverteilung zu beantworten bedarf es jedoch politischer Mehrheiten, die derzeit fehlen. Lieber reitet man weiter ein totes Pferd.
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