»Behandelt uns doch ordentlich!«
Dänemark: Arbeitsloseninitiative gegen unwürdige Behandlung in den Jobzentren
Mit der Arbeit verliert man auch seine Würde. Das ist die Erfahrung, die viele Arbeitslose auch in Dänemark machen müssen. Die kommunal geleiteten Jobzentren haben in den wenigsten Fällen Arbeitsplätze anzubieten, ganz zu schweigen von regulärer Arbeit, die den persönlichen Qualifikationen entspricht. Hingegen werden Erwerbslose kontrolliert und mit Misstrauen konfrontiert, es wird offen bezweifelt, ob sie ernsthaft Arbeit suchen.
Die am meisten verhasste Forderung der Jobcenter ist es, dass jeder Arbeitslose vier Bewerbungen pro Woche dokumentieren muss. Ob ein Arbeitgeber diese Bewerbung ernsthaft in Erwägung zieht, ist bei dieser verpflichtenden Zahlenjagd nicht relevant. Das führt zu einer Menge Pro-forma-Bewerbungen, in denen Ungelernte sich um eine Stellung als Hochschuldozent bewerben, und damit auch zu Frustration bei den Arbeitgebern. Während letztere viel Zeit darauf verwenden müssen, ernsthafte Bewerber herauszufiltern, wird den Arbeitslosen gleichzeitig nicht die Möglichkeit gegeben, sich weiterzubilden.
Ihnen werden per Gesetz Aktivierungsmaßnahmen angeboten, deren Kosten sich in den Gewinnen der damit beauftragten Firmen widerspiegeln, aber den Arbeitslosen nicht weiterhelfen. Die dänischen Medien bringen fast täglich Beispiele für die gigantische Ressourcenverschwendung. Die Mitarbeiter der Jobzentren sind zudem mit administrativen Aufgaben überlastet und haben kaum Zeit für die Erwerbslosen.
Solche Erlebnisse hatte auch der 55-jährige Maurer Peder Bæk aus Skive im vergangenen Winter, der mit seiner Kälte und Länge die Bauwirtschaft stoppte und ihn zum ersten Mal arbeitslos machte. Bæk organisierte Protest von Arbeitslosen seines Jobzentrums gegen die oft unsinnigen und teuren Aktivierungsmaßnahmen.
Skive liegt in Nordwestjütland und damit in einer wirtschaftlichen Randlage. Die Initiativgruppe bekam aber rasch auch Ableger in anderen Städten insbesondere in West- und Südjütland, die ähnlich hart von der Krise betroffen sind. In den letzten Wochen haben sich auch in den übrigen Landesteilen und in Kopenhagen Gruppen gebildet. Logistisch unterstützt wird die Initiative, die vorrangig über eine eigene Homepage und das soziale Netzwerk Facebook kommuniziert, durch mehrere Gewerkschaften. Die Initiative unterstreicht jedoch ihre Unabhängigkeit von Partei- und Gewerkschaftsinteressen.
Und man begnügt sich nicht mit Klagen und Protesten, sondern hat auch einen Vorschlag entwickelt, wie das System der Arbeitslosenunterstützung in Dänemark vereinfacht werden kann. Kernstück des Vorschlages ist es, dass alle Bürger zwischen 20 und 65 auf dem Arbeitsmarkt sind. Arbeitslosigkeitsperioden werden nach einem 2-Plus-1-Modell geteilt, d. h. zwei Jahre Arbeitslosengeld plus ein Jahr Aktivierung bzw. Weiterbildung. Das Konzept soll auch für ältere Arbeitslose gelten, die derzeit noch in die vorzeitige Verrentung geschickt werden und damit die derzeit angedachten Modelle der Politiker ersetzen, die bei den teuren Sozialleistungen gerne sparen würden. Auch Jüngere unter 25 sollen profitieren, weil sie im Rahmen des Konzepts eine Ausbildung durchlaufen können.
»Unser gemeinsames Ziel ist es, die führenden Politiker der Oppositionsparteien vor den nächsten Wahlen zu einer Demonstration zu bekommen, wo sie erklären, wie sie das Arbeitslosensystem verbessern wollen. Das würde es den Arbeitslosen leichter machen herauszufinden, wo sie ihr Kreuz setzen sollen auf dem Wahlzettel«, so Peter Bæk, der, nachdem er wieder Arbeit fand, nun seine Freizeit für die Initiative verwendet.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.