Fehde sei mit euch!

Don Camillo und Peppone, die berühmtesten Streithälse der Filmgeschichte, drehten in Brescello

  • Stephan Brünjes
  • Lesedauer: 6 Min.
Don Camillo und Peppone – seit mehr als drei Jahrzehnten führen sie Touristen durchs Dorf.
Don Camillo und Peppone – seit mehr als drei Jahrzehnten führen sie Touristen durchs Dorf.

Moment mal, das ist doch...? Knöchellanges, schwarzes Gewand, schwarzes Käppi auf dem Kopf und gefaltete Hände. Weihevoll schreitet dieser Mann mit verschmitztem Lächeln unter den Arkaden entlang und bleibt dann mitten auf der Piazza Matteotti stehen, dem Marktplatz von Brescello. Ist dieser Mann Don Camillo? Nein, wie sollte er? Zwar wurden genau hier sechs Filme der »Don Camillo und Peppone«-Reihe rund um einen kommunistischen Bürgermeister und seinen Widersacher, den schlitzohrigen Gottesmann gedreht, aber das ist fast 50 Jahre her. Vielleicht ist der Herr in schwarz Brescellos heutiger Pfarrer, äußerlich seinem Film-Vorbild nacheifernd? Immerhin, jetzt steuert er auf die wuchtige, strahlend weiße Kirche Santa Maria Nascente zu, in den Kino-Komödien stets ein Hauptschauplatz.

Ebenso wie das Rathaus. Nur weil dieses – anders als in vielen italienischen Dörfern – nicht der Kirche gegenüber, sondern im rechten Winkel zu ihr liegt, wurde Brescello überhaupt Kulisse für den fiktiven Filmort Bosaccio. Denn in dieser Anordnung konnte der Regisseur die Kamera hin- und herschwenken lassen zwischen den Gebäuden der Dauerstreithähne. Die beiden stehen noch heute davor – als Bronzestatuen, so als habe man einen ihrer Filme angehalten. Vorm Rathaus Giuseppe Bottazi, genannt Peppone. Meist begriffsstutzig, aber immer aufbrausend, außen strammer Stalinist, innen jedoch eine Seele von Mensch. Mit dem Parteiblatt »Unità« in der Tasche, den Hut in der Hand, grüßt er schräg über den Platz in Richtung Kirche zum bronzenen Don Camillo. Der hat Glupschaugen und ein Pferdegebiss, wie sein Filmvorbild, der französische Komiker Fernandel.

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Und dann ist da noch eine dritte Statue – mehr als doppelt so groß wie die beiden anderen: Hercules. Doch für ihn interessiert sich keiner der Touristen auf der Piazza. Wohl aber für den Mann in schwarzer Soutane, der jetzt wieder aus der Kirche kommt. Getuschel unter den Gästen, doch ansprechen mag ihn vorerst niemand.

50 000 Besucher kommen pro Jahr nach Brescello – nur wegen Don Camillo und Peppone. Sie sind die einzige Attraktion des schmucken 5000-Seelen-Dorfs in der Emilia Romagna zwischen Po und Parma – und zwar an jeder Ecke: Das im Film vorkommende »Caffè Ristorante Italia« heißt heute »Don Camillo«, die ehemalige »Central Bar« ein paar Häuser weiter ist längst umgetauft in »Café Peppone«. Natürlich gibt's Sandwich und Gnocchi, benannt nach den Filmhelden ebenso wie Steine, Frühstücksbretter, Kalender und Teller mit ihren Konterfeis in Souvenirläden.

Im Fotogeschäft posiert gerade ein Besucher vor einer Kamera und lässt sein Bild anschließend in eine Filmsequenz mit Don Camillo und Peppone hineinmontieren. Keine Frage – so wie Salzburgs Getreidegasse sich mit Mozart die Kugel gibt, so machen sie es auch hier. Spielverderber dabei ist ausgerechnet Brescellos Videothek: »Shining« heißt sie, bietet Will Smith, Nicole Kidman oder James Bond, aber weder Peppone noch Camillo.

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Zurück zur Piazza. Mal nachsehen, ob der geheimnisvolle Mann noch da ist. Eine Touristin nimmt gerade ihren ganzen Mut und alle Italienisch-Brocken zusammen: »Buon giorno, Signore, lei è Don Camillo?« »Si si«, antwortet er und stellt sich in einem Gemisch aus Italienisch, Englisch und Gebärdensprache als offizieller Camillo-Darsteller des Ortes vor – seit 37 Jahren im Dienst. Buchbar über das Rathausbüro, also genaugenommen bei seinem Dauerwidersacher, sagt er mit gespielter Verärgerung und weist darauf hin, dass Peppone gleich ebenfalls erscheinen wird, bestellt – so wie er auch – von einer Nürnberger Reisegruppe. Bis deren Bus um die Ecke rollt, muss die Don Camillo-Kopie reichlich übers Original plaudern. Ja, die Dreharbeiten Anfang der fünfziger Jahre: Der Ort im Belagerungszustand, mit hunderten Komparsen. Nicht nur wegen der Massenszenen, etwa einer von Peppone angezettelten Demonstration. Nein, vor allem wegen der Salami, Brote und Äpfel. Diese Essensration holten sich viele der Bewohner ab, erschienen aber nie beim Dreh.

Pfiffig sind sie hier, die Leute in der »mondo piccolo«, der »kleinen Welt«, die der Autor von »Don Camillo und Peppone« in seinen Büchern beschrieb. »Dieser Giovanni Guareschi, ein Satiriker aus der Gegend, sah Gino Cervi, dem Peppone-Darsteller zum Verwechseln ähnlich«, erzählt das Don Camillo-Double und grinst: »Mehrfach vertrat Guareschi den erkrankten Hauptdarsteller, stellte sich aber einmal so tollpatschig an, dass er bei einer zu drehenden Rauferei einen Schauspieler krankenhausreif schlug.« Unvergessen auch, dass sowohl die kommunistische Partei Italiens als auch die katholische Kirche versuchten, den ersten Film zu verhindern. Beide hatten gleichermaßen Angst vor Verunglimpfung. Der Vatikan schickte sogar einen »Berater«. Der sorgte dafür, dass die italienische Fassung des Films deutlich entschärfter ist als die französische.

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In diesem Moment unterbricht das Don Camillo-Double seinen Anekdotenreigen. »Ah, communista!«, ruft er über die Piazza. Die Begrüßung für seinen Widerpart, den Peppone-Darsteller. Perfekt gestylt mit Schnäuzer, grimmigem Blick und rotem Halstuch sowie angriffslustig hinter seine Hosenträger geklemmten Daumen stürmt er heran, Sekunden vor dem Nürnberger Reisebus.

Nach einem witzigen Begrüßungsscharmützel ziehen die beiden mit ihren Gästen zunächst über den Camillo & Peppone-Rundweg zu diversen Filmschauplätzen und dann ins nahe Filmmuseum. Eine private Ausstellung, mit viel Liebe zum Detail: Der US-Panzer, mit dem die beiden in »Genosse Don Camillo« eine Friedenstaube vom Dach schießen, steht vor der Tür, die Räder, mit denen sie sich am Ende von »Die große Schlacht des Don Camillo« ein absurdes Rennen liefern, oben inmitten zahlreicher Stellwände mit Szenenfotos und Zeitungsausschnitten. Besonders schön: Peppones Arbeitszimmer mit Stalin und Lenin an der Wand, aber, ziemlich versteckt, hat der große Kommunist auch ein kleines Marienbildchen im Blick – am Küchenschrank.

Der sprechende Heiland, mit dem sich Don Camillo in den Filmen oft berät, fehlt übrigens im Museum. Der reale Pfarrer hat den eigens für die Dreharbeiten angefertigten Gekreuzigten mit zwei auswechselbaren Jesusköpfen – einer todtraurig, der andere verschmitzt – nicht rausgerückt, sondern weihen und in einer Seitenkapelle der Kirche ausstellen lassen. Wer sie bisher betrat, hörte oft ein schnarrendes »no photo« vom Küster. Es sei denn, der Küster hörte vorher ein paar Münzen in den Spendentopf klimpern. Don Camillo lässt grüßen. Leider werden Spenden derzeit wirklich dringend benötigt, denn bei einem Feuer in der Kirche ist das Film-Kruzifix komplett zerstört worden.

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  • Infos: www.mondogureschi.com - deutschsprachige Website über den Ort Brescello und das Museum.
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