Manchmal wird es auch Kunst

In Dresden ist das bundesweit einzige Volkskunst-Museum wieder zu besichtigen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
In Dresden wird heute das Museum für Volkskunst nach einem Umbau wiedereröffnet. Die neue Schau will erklären, warum Volkskunst im Osten besonders anerkannt ist – und will die Besucher zum Nachmachen ermutigen.

Welche Wirkung haben eigentlich Besuche in Museen? Manche bewirken Staunen, andere intellektuelle Erbauung oder einen Zuwachs an Wissen. Wer das Museum für Sächsische Volkskunst besucht, verspürt zu Hause angekommen indes nicht selten den Drang, umgehend zu Laubsäge und Schnitzmesser, Schere und Papier oder Nadel und Zwirn zu greifen. Der Effekt ist beabsichtigt. Die Botschaft an die Besucher, sagt Direktor Igor Jenzen, laute schlicht: »Fangt an und macht etwas.«

Die Aufforderung ergeht noch deutlicher, wenn das bundesweit einzige Museum für Volkskunst heute nach zehnmonatigem Umbau wiedereröffnet wird. Seit Jahresbeginn wurden in dem Renaissancebau in der Dresdner Neustadt nicht nur ein Fahrstuhl ein- und verschiedene Hindernisse für Rollstuhlfahrer abgebaut, wofür rund 1,5 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket verwendet wurden. Die benötigte Schließzeit wurde auch genutzt, um die Ausstellung in Teilen gründlich zu überarbeiten.

Im Osten mehr respektiert

Bereits vor vier Jahren war jener Teil der Exposition umgestaltet worden, in dem die Ergebnisse der Fingerfertigkeit sächsischer Volkskünstler zu sehen sind: geschnitzte Bergmänner und Pyramiden, Spielzeugeisenbahnen und mechanische Weihnachtsberge, filigrane Klöppelspitzen und getöpfertes Geschirr.

Nun haben sich Jenzen und seine Kollegen der Räume im Erdgeschoss angenommen, in denen quasi das theoretische Grundgerüst erklärt wird. Auch dort gibt es jetzt Bildschirme, an denen vertiefende Informationen vermittelt werden, Spielangebote für Kinder und, nicht unwichtig für ausdauernde Besucher, Sitzgelegenheiten. Außerdem jedoch wird nun klarer erläutert, welches Anliegen das bundesweit einzige Museum für Volkskunst verfolgt – und warum es gerade in Dresden steht.

Zurückgeführt wird der Begriff »Volkskunst« auf Oskar Seyffert, Zeichenlehrer an einer Schule für Kunstgewerbe. Deren Protagonisten wurde Ende des 19. Jahrhunderts vorgeworfen, »seelenlose« Kunst zu produzieren. Seyffert ging auf die Suche nach Alternativen – und würde fündig bei den »Männelschnitzern« im Erzgebirge und den Töpfern in der Lausitz. Er begann, ihre Erzeugnisse zu sammeln und legte so den Grundstock für das im Jahr 1896 gegründete Museum, das ab 1913 im Jägerhof ansässig war.

Dort wird jetzt anhand der originalgetreu nachgebauten Wohnstube eines Umgebindehauses gezeigt, wo Volkskunst entstand und wie sie auch kommerziell vermarktet wurde: Blaudruck-Textilien oder Holzspielzeug wurden in ganz Europa vertrieben und sicherten ihren Herstellern einen – wenn auch oft kargen – Lebensunterhalt.

Zugleich gab es stets das, was im Museum als »autodidaktische Kunst« bezeichnet wird: Weihnachtskrippen, die nach Feierabend aus Papier oder bemalten Brettchen gebastelt wurden, aber auch geschnitzte Charakterfiguren, wie sie ein gewisser Heinrich Pommer in großer Zahl herstellte. Fabriziert wird derlei »autodidaktische Kunst« in Sachsen noch immer. Während die in der NS-Zeit vereinnahmte und diskreditierte Volkskunst im Westen nach 1945 kaum noch gepflegt worden sei, gab es in der DDR viele Schnitz-, Klöppel-, Töpfer- oder Malzirkel, in denen sich Laien betätigten. Volkskunst, sagt Museumsdirektor Jenzen, sei hier als »Ausweis für die kulturelle Kompetenz der arbeitenden Klasse« gesehen worden – mit dem Ergebnis, dass sie im Osten auch heute noch als selbstverständlicher Teil der Kunstszene respektiert werde.

Die falsche Frage

Gerade ausdrucksstarke Gesichter, wie sie Pommer schnitzte, lassen fragen, ob solche Figuren nicht auch in Kunstgalerien gut aufgehoben wären. Allgemeiner gefragt: Ist die »Spitze« der Volkskunst nicht schon »echte« Kunst?

Das ist die falsche Frage, sagt Jenzen. Was in diesem Metier zählt, sei das eigene Schaffen: »Jeder, der das versucht, hat nachdrückliche Erlebnisse.« Und manchmal, fügt Jenzen hinzu, »manchmal wird es dann Kunst«.

Museum für sächsische Volkskunst Dresden, Köpckestraße 1, geöffnet täglich außer montags 10 - 18 Uhr

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