Nach Osten und Westen offen für neue Partner
Jahresbotschaft von Russlands Präsident Medwedjew
Die Erwartungen hingen diesmal besondere hoch: Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hatte vor einer Woche in seinem Videoblog gewarnt, Stabilität schlage in Stagnation um, das Niveau der politischen Konkurrenz müsse daher angehoben werden. Vor allem Bürgerrechtler und die liberale Opposition, die seit 2003 nicht mehr in der Duma vertreten ist, hatten daher gehofft, Medwedjew werde sich vor allem mit diesem Thema auseinandersetzen. Zum politischen Teil indes kam der Präsident erst in der 60. von insgesamt 74 Minuten Redezeit und konzentrierte sich dabei auf Außen- und Sicherheitspolitik. Russland sei bereit, mit interessierten Staaten an einer Raketenabwehr mitzuarbeiten, damit alle Länder Europas vor Angriffen geschützt werden. Darüber sei beim Russland-NATO-Gipfel in Lissabon Mitte November verhandelt worden. Ebenso über eine neue Qualität der Partnerschaft, was zu »vorsichtigem Optimismus« für das Schicksal eines Europäischem Sicherheitsvertrags berechtige, für den Medwedjew seit seinem Amtsantritt wirbt. Das sei gut, da Russland anderenfalls eine neue Runde des Wettrüstens drohe.
Fortschritte gibt es aus Sicht Medwedjews auch bei der Umsetzung von Plänen für eine Modernisierungspartnerschaft zwischen der EU und Russland, einschließlich des freien Verkehrs von Personen und Gütern. Beides müsse sich für die Bürger Russlands in konkreten positiven Ergebnissen niederschlagen. Darum werde es auch auf dem Russland-EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel gehen. Bei der Modernisierungspartnerschaft nannte Medwedjew Deutschland an erster, Frankreich an zweiter Stelle.
Gleichzeitig machte er sich für die Wiederherstellung eines gemeinsamen euroasiatischen Wirtschaftsraums auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stark. Anders als bei seinen Vorgängern rangierte die Wirtschaftskooperation mit den Staaten der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS jedoch hinter der Partnerschaft mit der EU.
Russlands Ressourcen, mahnte Medwedjew, müssten statt zum Stopfen der Löcher für wirtschaftliche und soziale Entwicklung eingesetzt werden, im Vordergrund müsse dabei die allseitige Förderung der Familie stehen. Auch weil es bisher nur in Teilen gelang, den demografischen Abwärtstrend zu stoppen. Zukunftsängste hatten in den Neunzigern eine ganze Generation dazu bewogen, auf Kinder zu verzichten.
Hauptaufgabe der Politik, so Medwedjew wörtlich, sei es, die heranwachsende Generation zu würdigen Bürgern und Erben eines Staates zu erziehen, der sich erfolgreich entwickelt. Familien mit drei Kindern müssten zur Norm werden.
Es sei auch nicht länger hinnehmbar, dass über die Hälfte aller Kinder bereits bei der Einschulung ernste Gesundheitsprobleme haben. Daher werde sich die Zentralregierung an der Finanzierung regionaler Programme zur Unterstützung junger und kinderreicher Familien sowie zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Müttern und Kindern beteiligen.
Auch müssten Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt und Missbrauch geschützt werden. Ausdrücklich warb Medwedjew für die Wiedereinführung patriotischer Erziehung an den Schulen und für Bildungsfernsehen. Ebenso für eine Adoption der derzeit über 130 000 Waisen durch russische Eltern und für mehr Förderung von behinderten Kindern. Einschlägige Institutionen würden noch immer mehr für die Isolierung als für die Sozialisierung ihrer Zöglinge tun und sie daher denkbar schlecht auf das Leben vorbereiten.
Im Wirtschaftsteil setzte sich Medwedjew vor allem mit den Folgen der weltweiten Krise für Russland auseinander. Diese seien noch nicht restlos überwunden, dennoch werde es 2010 ein Wachstum von über vier Prozent geben. Auf vier Prozent soll mittelfristig auch die Inflation gedimmt werden.
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