Stuttgart 21 bleibt unten

Schlichter Heiner Geißler ist grundsätzlich für Bau des unterirdischen Durchgangsbahnhofs

  • Barbara Martin, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Stuttgart 21 soll weiter gebaut werden, findet Heiner Geißler. Nur besser. Nach neun Schlichtungsrunden und stundenlangen Verhandlungen mit Befürwortern und Gegnern der Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofes unter die Erde, verkündete der 80-jährige CDU-Mann gestern Abend seinen Spruch. Umgehend skandierten etwa 200 S21-Gegner im Stuttgarter Rathaus »O-ben blei-ben!« und »Map-pus weg!« und »Lü-gen-pack!«.

Geißler nahm sich für die Verkündung seines Spruches rund eine halbe Stunde Zeit, referierte das Zustandekommen der Schlichtung. Jahrelang habe die Politik Proteste gegen Stuttgart 21 ignoriert, der Polizeieinsatz am 30. September im Mittleren Schlossgarten ließ die Lage dann eskalieren. Nachdem die meisten Mitgliedsgruppen des Aktionsbündnisses und auch Landesregierung und Bahn zugestimmt hatten, sei klar gewesen, so Geißler, dass mit der Schlichtung Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Politik zurückgewonnen werden sollte. »Das hätte eigentlich vor vier oder fünf Jahren stattfinden müssen«, meinte er.

Immerhin, nun habe man miteinander gesprochen, das sei vor zwei Monaten noch nicht möglich gewesen. Und die Fachschlichtung habe auch konkrete Ergebnisse gezeitigt: Das Konzept der Gegner, den Kopfbahnhof zu ertüchtigen, sei machbar. Zudem hätten sie klare Schwachpunkte aufgezeigt: Bei der Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 müsse nachgearbeitet werden, meinte Geißler. Folgende Punkte hielten beide Seiten für notwendig, sagte er: Den Ausbau des unterirdischen Bahnhofes von acht auf zehn Gleise, damit S21 leistungsfähig wird. In punkto Sicherheit müssten Bahnsteige verbreitert werden, für die Tunnel sollten die Vorschläge der Stuttgarter Feuerwehr berücksichtigt werden. Der Flughafen soll zweigleisig angebunden werden und Bäume im Schlosspark sollten möglichst nicht gefällt, sondern, wenn überhaupt, verpflanzt werden. Die Grundstücke, die durch die Beräumung des Gleisvorfeldes in der Stuttgarter Innenstadt frei werden, sollen vor Spekulation geschützt werden, indem man sie in eine Stiftung überführt. Geißler: Ziele dabei sind Erhalt der Frischluftschneise, ökologische, familienfreundliche und behindertenfreundliche Bauweise und erschwingliche Preise.

Die Deutsche Bahn verpflichtet sich, so Geißler, Stuttgart 21 per Simulation einem Stresstest zu unterziehen. So solle sie den Nachweis erbringen, dass der unterirdische Bahnhof tatsächlich 30 Prozent mehr leisten kann als der jetzige überirdische Sackbahnhof. Vom Ergebnis dieses Stresstestes würde dann abhängen, welche Verbesserungen die Bahn tatsächlich vornehmen müsse.

Geißler räumte ein, dass es trotz dieses Schlichterspruches voraussichtlich zu weiteren Demonstrationen kommen werde. Denn: »Einen Baustopp bis zur Landtagswahl haben Landesregierung und Bahn abgelehnt.« Vielleicht könnten situationsbedingte Schlichtungen da weiterhelfen, so der 80-Jährige. Da die Schlichtung so gut bei den Bürgern angekommen sei, sollten die beiden Seiten das erreichte hohe Diskussionsniveau beibehalten – das erhöhe die Wahlchancen.

Während der Schlichter seinen Spruch vor Presse und Schlichtungsteilnehmern abgab, lauschten im großen Sitzungssaal rund 300 Interessierte per Live-Übertragung seinen Worten. Unmittelbar nachdem Geißler fertig war, begannen die Stuttgart-21-Gegner unter diesen Zuhörern zu protestieren. Geißler hat also Recht: Die Demos gegen Stuttgart 21 werden weiter gehen. Bereits für Samstag haben die Parkschützer, die die Schlichtung von Anfang an abgelehnt haben, zur Demo aufgerufen. Seite 2

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