Volle Wohnkosten, auch wenn man selbst verreist
Hartz IV (1)
Zu beachten ist allerdings: Erst nach sechs Monaten darf die Behörde den verbliebenen Ehegatten zu einer Senkung der Wohnkosten auffordern, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem Urteil vom 19. Oktober 2010 feststellte. Dann hat der Hartz-IV-Empfänger weitere sechs Monate Zeit, um sich eine günstigere Wohnung zu suchen.
Im verhandelten Fall bezogen der Kläger und sein Lebenspartner Hartz IV. Als der Lebenspartner dem Jobcenter Tempelhof-Schöneberg mitteilte, dass er ab Ende Juli 2007 zur Pflege seiner Großmutter für mehr als vier Monate nach China reisen müsse, strich die Behörde ihm das Arbeitslosengeld II. Der in Deutschland verbliebene Hartz-IV-Empfänger erhielt zudem nur noch die Hälfte der Unterkunftskosten erstattet, insgesamt
222 Euro. Weil er die Wohnkosten nicht mehr aufbringen konnte, wurde er obdachlos.
Vor Gericht wehrte sich der Arbeitslose gegen die Kürzung der Unterkunftskosten. Die Bedarfsgemeinschaft bestehe trotz der mehrmonatigen Reise des Partners nach China fort. Dem stimmte das Bundessozialgericht zu. Erst bei einem längerfristigen auswärtigen Aufenthalt von über sechs Monaten, beispielsweise in einer stationären Einrichtung, dürfe das Jobcenter den Betreffenden zur Senkung der Wohnkosten auffordern. epd
Urteil Bundessozialgericht in Kassel vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 50/10 R
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.