Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Experten fordern erneut die Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Kampf gegen Armut
Die Finanzierung der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen ist ein Dauerbrenner auch in der deutschen Politik. Zumeist bleiben die Diskussionen darum jedoch ohne nennenswerte Folgen. Bei der Anhörung im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kam das Thema nun erneut auf den Tisch. Eingeladen waren Sachverständige aus Entwicklungshilfeorganisationen, der Kreditanstalt für Wiederaufbau und Forschungsinstituten.
Bislang ist es das zugesagte Ziel der deutschen Regierung, die staatlichen Gelder für Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts hochzufahren. Kaum jemand glaubt jedoch daran, dass dies noch gelingt. Auf die Frage der LINKEN-Politikerin Barbara Henrichs an den Leiter des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Peter Nunnenkamp, bis wann er es für realistisch halte, dass dieses Ziel erreicht werde, antwortete Nunnenkamp indirekt. In der wissenschaftlichen Debatte interessiere diese Fragestellung weniger, sagte er, viel stärker werde erörtert, ob die Entwicklungshilfe den armen Ländern überhaupt nutzt. Aus Nunnenkamps Sicht profitieren gerade die ärmsten Länder nicht effektiv genug von den Geldern, zudem spezialisierten sich die Geberländer zu wenig bei der Mittelverteilung. Streuung von Geldern nach dem Gießkannenprinzip, Ansiedlung von Unternehmen in technologisch höher entwickelten Entwicklungsländern – etwa in diesen Bereichen könne und müsse man die Stellschraube erst mal ansetzen, um die Hilfen zu verbessern, meint Nunnenkamp.
Die ebenfalls geladenen Experten Peter Wahl und Jörg Alt, die in ihrer Rolle als Vertreter der Kampagne »Steuer gegen Armut« in Berlin die Fragen der Abgeordneten beantworteten, forderten dagegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Darin sehen sie das geeignete Mittel, die nötigen Gelder für die Erreichung der UN-Ziele aufzubringen. »Unter der Vielzahl an Instrumenten innovativer Finanzierung der Entwicklungshilfe steht die Finanztransaktionssteuer am nächsten vor der Verwirklichung«, begründete Wahl die Forderung.
Er appellierte an die Politik, »diesem Instrument jetzt zum Durchbruch zu verhelfen«. Das Zeitfenster für die Umsetzung der Steuer ist indes begrenzt: Denn politisch wird sie derzeit vor allem als Mittel zur besseren Regulierung der Finanzmärkte diskutiert. Kurzfristige, risikoreiche Spekulationen würden durch die Erhebung dieser Transaktionsgebühr finanziell unattraktiv, die Finanzmärkte in der Konsequenz insgesamt stabiler.
Peter Wahl, der unter anderem auch Mitbegründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac ist, plädierte dafür, eine »Koalition der Willigen« auf den Weg zu bringen, die alle Länder zusammenführt, die die Steuer befürworten. Besonders Frankreich und Deutschland, die ihre Bereitschaft dazu im Zuge der Finanzkrise bereits bekundet hatten, müssten hier voran gehen, schlug Wahl vor. Deutschland solle seine starke Stellung in Europa bei der Erreichung dieses Ziels nutzen.
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