Mindestlohnvorstoß aus der CDU
Einkommensuntergrenze in der Einzelhandelsbranche deutet sich immer stärker an
Baden-Baden (Agenturen/ND). Der Vizevorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Christian Bäumler, forderte am Mittwoch im SWR einen Einstieg in einen »allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn«. Die Verhandlungen mit SPD und Grünen könnten dazu führen, »dass wir das Tor aufbekommen«, sagte Bäumler. Der CDU-Arbeitnehmervertreter hofft in den laufenden Hartz-IV-Beratungen in diesem Punkt auch auf einen Kompromiss mit der FDP. Es könnte sein, dass in einem »Gesamtpaket« die Tür zu Mindestlöhnen geöffnet werden könne. Er hoffe, »dass wir hier der FDP eine Brücke bauen können«, sagte Bäumler.
Regierung und Opposition ringen derzeit im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag um einen Kompromiss bei der Hartz-IV-Reform. Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplante Reform sieht die Einführung eines Bildungspakets für Kinder von Hartz-IV-Empfängern und Geringverdienern vor, der Regelsatz soll um fünf Euro auf 364 Euro erhöht werden. Das Gesetz war am Freitag im Bundesrat gescheitert, weshalb der Vermittlungsausschuss angerufen wurde. Die Oppositionsparteien verlangen eine Neuberechnung der Regelsätze sowie mehr Hilfen für benachteiligte Kinder.
SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte auch angesichts des Vorstoßes der Billig-Supermarktkette Lidl für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns die schwarz-gelbe Koalition auf, ihre »Blockadehaltung« aufzugeben. Dafür sei es »allerhöchste Zeit, andernfalls droht dem deutschen Arbeitsmarkt von Mai an verstärkt massives Lohndumping«, sagte Gabriel der »Süddeutschen Zeitung«. Ab Mai gilt für acht mittel- und osteuropäische EU-Staaten die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Lidl hat die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von zehn Euro vorgeschlagen.
Tatsächlich können rund 2,8 Millionen Beschäftigte im Einzelhandel im Frühjahr 2011 auf eine gesetzliche Lohnuntergrenze hoffen – allerdings in ihrer Branche. Arbeitgeber und die Gewerkschaft ver.di zeigten sich am Mittwoch optimistisch, sich in der ersten Jahreshälfte 2011 auf einen Mindestlohn im Einzelhandel einigen zu können. Zehn Euro, wie von Lidl gefordert, »wäre schon eine Marke«, sagte eine Sprecherin der Gewerkschaft. Lidl habe »eindrücklich dokumentiert«, dass ein Unternehmen diesen Lohn zahlen könne und »trotzdem Marktführer bleiben kann«. Der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, nannte dagegen als »Bezugspunkt« die Einstiegsgehälter der Einzelhandels-Tarifverträge, die derzeit je nach Region zwischen 7,00 und 8,80 Euro pro Stunde liegen. »Ein Mindestlohn, der sich an dieser Bandbreite orientiert, ist aus Sicht unseres Verbandes gut zu vertreten«, sagte der HDE-Präsident gegenüber dem »Handelsblatt«.
Sanktjohanser begründete den Wunsch der Arbeitgeber nach einem Mindestlohn auch mit dem Image des Einzelhandels: Die vielen Diskussionen über umstrittene Arbeitsbedingungen, die es in jüngster Zeit gegeben habe, lägen nicht im Interesse der Branche. Die Pläne für den Mindestlohn seien »ein aktives Bekenntnis zur Tarif- und Sozialpartnerschaft im Einzelhandel«.
In die Kritik geraten waren in jüngerer Vergangenheit etwa der Drogeriediscounter Schlecker wegen der Bezahlung von Leiharbeitern, die Textilkette Kik wegen Lohndumpings und schlechter Arbeitsbedingungen und Lidl wegen Bespitzelung von Beschäftigten.
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