Statt Wählerwille zählt Wohlgefühl

LINKE-Fraktionschef Wulf Gallert: Sachsen-Anhalts SPD ist im Wahlkampf nicht glaubwürdig

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die SPD in Sachsen-Anhalt lehnt einen Regierungschef der LINKEN und also nach derzeitigem Stand eine rot-rote Koalition überhaupt ab. Damit ist sie nach Ansicht von Wulf Gallert, der dieses Amt anstrebt, unglaubwürdig: Sie missachte eigene politische Inhalte ebenso wie Wählerinteressen.
Wulf Gallert Foto:dpa/Woitas
Wulf Gallert Foto:dpa/Woitas

»Tabubruch« – diese starke Vokabel beschriebe nach Meinung von Sachsen-Anhalts SPD-Vorsitzender Katrin Budde ein Ereignis, auf das die LINKE im Land hinarbeitet: die Wahl des bundesweit ersten Ministerpräsidenten der Partei. Die SPD werde das aber nicht unterstützen, auch wenn sie so »in die Geschichte eingehen« könnte, so Budde gestern im ND: »Darauf verzichte ich an diesem Punkt gern.«

Den Tabubruch hat die sachsen-anhaltische SPD indes bereits 1994 vollzogen, sagt LINKE-Frontmann Wulf Gallert – und er hat ihr nicht geschadet: Nach vier Jahren einer von der PDS tolerierten Koalition mit den Grünen fuhr sie ihr bestes Wahlergebnis überhaupt ein. Erst unter dem Einfluss der Sozialreformen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie von Flügelstreitigkeiten im Land stürzte sie 2002 dramatisch ab. Gelegentliche Verweise auf negative Folgen rot-roter Kooperation für die SPD seien »reine Schutzbehauptungen«.

Dass die SPD zwar vor 16 Jahren den Mut zum »Magdeburger Modell« aufbrachte, eine Koalition aber ablehnt, wenn sie diese nicht selbst führt, hält Gallert für moralisch zweifelhaft. »Solange sie den Chefposten selbst besetzen können, haben sie keinerlei Skrupel«, sagt er, »sind wir aber stärker, haben sie Bedenken.« Gallert weist auch den von Budde angeführten Verweis auf den Umstand zurück, dass die SPD 1946 von einer Vorgängerpartei der heutigen LINKEN »geschluckt« worden sei. »Dann wären wir auch 1994 als Juniorpartner nicht in Betracht gekommen«, sagt er. Es handle sich um ein »vorgeschobenes Argument«.

Generell beweise die SPD mit ihren Argumenten, dass es ihr »um ihr Wohlbefinden geht, nicht um politische Inhalte oder den Wählerwillen«. Gemessen an ihren politischen Zielen, dürfe die SPD eine rot-rote Koalition nicht ausschließen. Budde hatte festgestellt, dass mit der LINKEN einiges »einfacher zu verhandeln« wäre, weil es eine »größere thematische Nähe« als mit der CDU gebe. Beispiele finden sich im Schulbereich, bei der Kinderbetreuung oder Fragen einer gerechten Entlohnung. Dass dennoch eine rot-rote Regierung ausgeschlossen werde, falls seine Partei stärker sei, bezeichnet Gallert als »unglaubwürdig«. Es werde sich am Wahltag nicht auszahlen, glaubt er: »Sie werden ein Ergebnis bekommen, das zeigt, dass ihre Strategie falsch war.«

Gallert selbst hält am Ziel fest, die CDU als stärkste Partei abzulösen, weil nur so die Chance bestehe, eine neue Koalition zu formen: »Wenn die CDU stärker ist als wir, schmiegen sich die Sozialdemokraten weiter bei ihr an.« Die LINKE werde sich auch bemühen, eine Mehrheit für die jetzige Koalition zu verhindern. Zuletzt lagen in Umfragen CDU und LINKE gleichauf bei 30 Prozent, die SPD käme auf 21 Prozent. Im Landtag wären nach langer Abstinenz die Grünen und vermutlich auch die FDP vertreten. Fraglich ist, ob auch der NPD ein Landtagseinzug gelingt.

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