Meinungsfreiheit auch für Nazis

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hebt fünfjähriges Publikationsverbot auf

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Neonazi auf der Straße
Neonazi auf der Straße

Karlsruhe (dpa/ND). Die Bundesverfassungsrichter haben erneut ein Zeichen für die Meinungsfreiheit gesetzt. Dieses Grundrecht gelte auch für Rechtsextreme, heißt es in einer am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Entscheidung. Sie gaben damit der Beschwerde eines Rechtsextremen recht, der unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraft ist. Dem Mann war 2008 vom Oberlandesgericht München untersagt worden, für die Dauer von fünf Jahren »rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten«. Dieses Verbot hielten die Verfassungsrichter für zu allgemein gefasst. Damit werde die Meinungsfreiheit »unverhältnismäßig stark« eingeschränkt.

Der Beschwerdeführer war zuletzt 2005 wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung »Schutzgruppe« sowie unerlaubtem Umgang mit Sprengstoffen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach Verbüßung seiner Haft verhängte das Oberlandesgericht eine Führungsaufsicht – eine Art Bewährungszeit, in der der Betroffene bestimmte Vorgaben erfüllen muss. Dazu zählte das fünfjährige Publikationsverbot.

Ein solches Verbot ist nicht grundsätzlich verfassungswidrig, erklärten jetzt die Richter. Allerdings sei es im vorliegenden Falle zu unbestimmt. Mit der gewählten Formulierung »ist das künftig verbotene von dem weiterhin erlaubten Verhalten nicht sicher abgrenzbar«, heißt es in der Entscheidung. Es bleibe unklar, nach welchen Kriterien rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut bestimmt werden sollen. Auch ein Rechtsextremer habe jedoch das Recht, mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen, entschieden die Richter. Ein mehrjähriges Publikationsverbot komme der Aberkennung der Meinungsfreiheit nahe. Zudem stehe es in einem gewissen Widerspruch zur Resozialisierung.

»Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist kein Freibrief für Neonazis«, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, in einer Stellungnahme. Das Verfassungsgericht habe nur klargestellt, was schon bekannt sei: »Der Kampf gegen faschistisches Gedanken-Ungut ist mit den Mitteln des Strafrechts nur begrenzt führbar«, so die Politikerin weiter.

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