Haiti wartet auf neuen Staatschef
Der Provisorische Wahlrat verschiebt das Stichvotum vom 16. Januar um mehrere Wochen
Die Stichwahl um das Präsidentenamt in Haiti wird verschoben. Der Generaldirektor des Provisorischen Wahlrates (CEP), Pierre Louis Opont, sagte nach einem Bericht des Rundfunksenders Radio Metropole, der anberaumte Wahltermin vom 16. Januar sei nicht realistisch. Frühestens Ende Februar gilt nun als Planziel.
Auch fünf Wochen nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gibt es kein offizielles Wahlergebnis. Der Sprecher des CEP, Pierre Thibault Junior, bestätigte der Nachrichtenagentur AP, dass die am 16. Januar geplante Abstimmung nicht stattfinden könne. Frühestens Ende der Woche werde es ein offizielles Wahlergebnis geben. Danach müsse der Wahlrat die gesetzlichen Fristen einhalten. Nach der offiziellen Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses haben die Kandidaten noch eine Einspruchsfrist. Außerdem müsse die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen offiziell überwacht, noch ihren Abschlussbericht übergeben, meinte der CEP-Sprecher.
Im Dezember hatte der Provisorische Wahlrat die rechtskonservative Juraprofessorin Mirlande Manigat mit 31 Prozent zur Siegerin und den zweitplatzierten Kandidaten der regierenden »Einheits«- Partei, Jude Célestin, zum Konkurrenten bei der Stichwahl erklärt. Der populäre Musiker Michel Martelly kam offiziell mit nur einem Prozent Rückstand zum Schwiegersohn von Staatspräsident René Préval auf Platz drei. Martelly alias »Sweet Micky« hatte gedroht, er werde seine Anhänger mobilisieren, wenn er nicht zur Stichwahl zugelassen werde. Indes werden nach Einsprüchen von 12 der 19 Präsidentschaftskandidaten noch einmal alle Stimmen ausgezählt.
Die Opposition hatte Préval beschuldigt, die Wahlen, zu der rund 4,7 Millionen Haitianerinnen und Haitianer aufgerufen waren, manipuliert zu haben, Während der Abstimmung, an der sich nur knapp eine Million Wähler beteiligten, war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und zu Unregelmäßigkeiten sowohl bei der Stimmabgabe als auch bei der Auszählung gekommen.
Die Wahlüberwachungskommission der OAS geht nach einer Meldung des US-Nachrichtensenders CNN ebenfalls von einer Verschiebung der Stichwahl aus. Deren Leiter Colin Granderson sagte gegenüber CNN am Mittwoch, »es sei unmöglich, die Wahlen am 16. Januar abzuhalten«.
Oppositionelle und linke Gruppierungen sehen in der Vertagung der Stichwahl eine erneute Manipulation Réne Prévals.
Der amtierende Staatspräsident hatte bereits im vergangenen Jahr nach dem schweren Erdbeben mit einem Notstandsplan regiert und auf dieser Basis auch versucht, die verfassungsmäßig anberaumten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu verschieben. Erst massiver ausländischer Druck brachte Préval zum Einknicken. Aber seitdem wurde der Politiker nicht müde, immer neue Termine vorzuschlagen, um nicht wie geplant am 7. Februar, wie es die haitianische Verfassung eigentlich vorsieht, sein Amt zu übergeben, sondern erst im Mai.
Die beiden linken Organisationen Batay Ouvriye (Arbeiterkampf) und die Demokratische Volksbewegung haben am Mittwoch mit einem »heißen Jahresanfang« gedroht. Für die Krise Haitis sei Préval verantwortlich, der sich mit Duldung der Vereinten Nationen und deren im Land stationierten UN-Blauhelmtruppen an der Macht halte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.