Indische Regierung in der Zwiebelkrise
Höchste Lebensmittelpreise seit anderthalb Jahren stellen die Politik auf eine harte Probe
Höchste Zeit für eine Krisensitzung im indischen Parlament. Anlass: die alarmierende Teuerung bei Lebensmitteln. Im Dezember lag sie mit knapp 18 Prozent so hoch wie seit anderthalb Jahren nicht mehr. Offizielle Zahlen belegen, dass sich Zwiebeln innerhalb eines Jahres um schwindelerregende 82,5 Prozent verteuert haben. Pakistan hatte bereits zugesagte Exporte auf dem Landweg gesperrt. Die Gemüsepreise allgemein zogen um knapp 60 Prozent an, Obst, Milch, Fleisch, Eier und Fisch verteuerten sich jeweils um rund 20 Prozent.
Nach Korruptionsskandalen weiterer Imageverlust?
Die Preisexplosion hat auch weitere Gemüse sowie Reis, Weizen und Hülsenfrüchte erfasst. Indiens Agrarminister Sharad Pawar behauptet, die Preise für Weizen und Hülsenfrüchte seien jetzt zwar stabil, über die Gemüsepreise habe die Regierung jedoch keine Kontrolle. Deshalb rechnen Wirtschaftsexperten damit, dass der Preisanstieg in den nächsten Wochen nicht rückläufig wird. Dazu kommt, dass auch die Kraftstoffpreise in Indien derzeit bisher ungekannte Spitzen erreichen.
Dass es sich bei der Preiskrise jedoch nicht um ein rein wirtschaftliches Problem handelt, zeigte sich darin, dass an der Krisensitzung neben Agrarminister Pawar auch etwa Innenminister Palaniappan Chidambaram und Finanzminister Pranab Mukherjee anwesend waren. Die durch etliche Korruptionsskandale geschwächte Regierung befürchtet derzeit einen weiteren Imageverlust, zumal linke und rechte Oppositionsparteien Massenproteste gegen die desaströse Lage angekündigt haben. So forderte etwa Brinda Karat, Mitglied des Politbüros der KPI (Marxistisch), die Preise für Diesel und Benzin staatlich zu regulieren – in ihnen liege einer der Hauptgründe für den Preisauftrieb. Die rechtsnationale Indische Volkspartei (BJP) attackiert die Regierung, sie habe »dem Volk Nahrungsmittel aus dem Mund gestohlen«. Weder Zwiebeln noch Tomaten seien für den einfachen Mann erschwinglich.
Linke fordern mehr Initiative für Arme
Premier Singh und seine Minister wissen, dass wegen Zwiebeln schon manche indische Regierung ihren Hut nehmen musste. Nach inneren Unruhen, dem sogenannten Zwiebelkrieg, kam im Mai 2004 das Aus für die BJP-Regierung unter Atal Bihari Vajpayee. Einem solchen Schicksal will die herrschende Vereinte Progressive Allianz entgehen.
Die Beratungen zu Beginn der Woche blieben indes ergebnislos. Nicht bestätigt wurde zudem ein Vorhaben, etwa fünf Millionen Tonnen Reis und Weizen zu verbilligten Preisen im staatlichen Verteilungssystem anzubieten. Gerade dieses im Zuge der marktwirtschaftlichen Reformen aufgeweichte Public Distribution System, das für Millionen Arme eine gewisse Erleichterung schaffen soll, steht in der Kritik der Linken. Sie verlangen vom Staat, hier mehr Initiative und Engagement zu zeigen, damit der ärmste Teil der Bevölkerung – über 800 Millionen Menschen – vom wirtschaftlichen Aufschwung mit Wachstumsraten von über acht Prozent auch etwas zu spüren bekommt.
In den nächsten 18 Monaten stehen Wahlen zu den Volksvertretungen in neun Bundesstaaten an. Auch das weiß die Regierung – und, dass sie Vorsorge treffen muss, damit die Kongresspartei und ihre Verbündeten nicht auf Zwiebelschalen ins Abseits rutschen.
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