Manipulation nicht nachweisbar
Bundeskartellamt hat eigene Untersuchung zum Stromgroßhandel vorgestellt
So sieht es Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt: Zwar seien die vorherrschenden Marktstrukturen bei Stromerzeugung und Stromgroßhandel in Deutschland »durchaus anfällig für missbräuchliche Verhaltensweisen der führenden Anbieter«. Doch gebe es »keine Hinweise auf eine systematische Kapazitätszurückhaltung«. Jedenfalls nicht solche, »die Anlass für konkrete Missbrauchsverfahren gegen einzelne Unternehmen geben« würden. Das sagte Mundt am Donnerstag in Bonn bei der Vorstellung der Studie »Sektoruntersuchung Stromgroßhandel« seiner Behörde. Die erfasst nach Worten des Juristen 95 Prozent der Stromerzeugung in den Jahren 2007 und 2008.
»Kapazitätsrückhaltung« bedeutet darin: Große Stromerzeuger schalten zu Spitzenverbrauchszeiten Kraftwerke ab, um das Strom-Angebot künstlich knapp zu halten und so die Preise nach oben zu treiben. Entsprechende Vorwürfe werden immer wieder erhoben gegen die großen Vier der Energieerzeugung in Deutschland, also E.on, RWE, Vattenfall und EnBW – auch seitens der Europäischen Kommission. Mundt sieht stattdessen vor allem kritisch auf den hohen Anteil von 25 Prozent Kraftwerkskapazität, die aus technischen Gründen nicht zur Verfügung gestanden haben soll. »Wir können nicht ausschließen, dass die von den Unternehmen angesetzten Werte für technische Restriktionen gegebenenfalls zu hoch sind«, so der Jurist.
Die Wettbewerbssituation sei »nach wie vor in vielerlei Hinsicht nicht befriedigend«, betonte Mundt, der lange Jahre für die FDP-Bundestagsfraktion arbeitete. Er kritisierte die Marktmacht der vier großen deutschen Energiekonzerne. Sie verfügten »jeweils individuell über eine marktbeherrschende Stellung«. Künftig werde seine Behörde den Stromgroßhandel stärker überwachen, um künstliche Preistreiberei im Keim zu ersticken.
Für Janine Wissler, Vorsitzende der Linksfraktion im hessischen Landtag, bleibt »ein Geschmäckle«: »Die Wortwahl des Kartellamtes lässt aufhorchen: Gravierende Manipulationen ließen sich auf Grundlage der untersuchten Daten nicht nachweisen!« Anreize zur Marktmanipulation könnten den Energieunternehmen nur genommen werden, »wenn sie dem Allgemeinwohl verpflichtet werden« und »die Energieversorgung zum Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge gemacht wird«.
Vermarktet wird der Strom, zumindest auf Großhandelsebene, über die Leipziger Strombörse – ohne »wirksame Aufsicht«, wie Wissler moniert. Die dort geltenden, stark schwankenden Preise gelten unter dem Strich als bestimmend für den Endabnehmerpreis. Bei hohem Angebot (etwa dank starkem Wind) und niedriger Nachfrage fallen die Börsenpreise mitunter ins Bodenlose. Gelegentlich entstehen gar negative Strompreise – das heißt: Käufer bekommen den Strom nicht nur geschenkt, sie erhalten sogar Geld, wenn sie ihn abnehmen. Zumindest in solchen Fällen haben die Stromriesen kaum eine Möglichkeit, schnell manipulativ zu reagieren: Ihre Atom- und Kohlekraftwerke können nicht einfach bei plötzlichem Bedarf runtergefahren werden. Zum Jahresbeginn hatten 600 deutsche Energieunternehmen ihre Endabnehmerpreise drastisch erhöht – im Schnitt um sieben Prozent. Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Studie kam im Dezember zu dem Ergebnis, dass diese Preiserhöhungen nicht gerechtfertigt seien. Schließlich hätten die Energiekonzerne Rekordgewinne eingefahren und ihre Kosten seien gesunken. Die Kunden müssten 2011 entsprechend zwei Milliarden Euro zu viel zahlen.
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