Berliner, Buddys, Bombenkrater

Das Babylon zeigt eine Werkschau des Regisseurs Billy Wilder

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.
Szene aus »Buddy Buddy« von 1981
Szene aus »Buddy Buddy« von 1981

»Be Billy Wilder«: Auch wenn der Titel der Reihe sich etwas kumpelhaft an eine auch schon nicht sonderlich gelungene Werbekampagne für Berlin anschließt – der Qualität der Filme selbst kann das keinen Abbruch tun.

Das berühmteste Brandenburger Tor der Filmgeschichte stand in Wahrheit – bei München. Denn als Wilder im Sommer 1961 nach Berlin zurückkehrte, um hier einen Film über die ideologisch geteilte Stadt zu drehen, konnte er noch gar nicht ahnen, wie total geteilt die Stadt bald sein würde. Der Bau der Mauer wurde Teil des Films, zwang das Team aber auch zum Umsiedeln auf das Studiogelände der Münchner Bavaria. Dort wurde dann das Brandenburger Tor originalgetreu nachgebaut, denn ein (West-)Dreh am Original war der Mauer wegen ja nun nicht mehr möglich. »Eins, zwei, drei« wurde einer dieser Filme, die eine ganze Zeit beschreiben, ein klassischer Fall von einem Mann zur rechten Zeit am rechten Ort. Und das mit Kamera.

Wilder wurde 1906 in Österreich-Ungarn geboren, wuchs in Wien auf, hatte in Berlin als Drehbuchautor Erfolg, ging 1933 nach Frankreich ins Exil und machte am Ende in Hollywood Karriere. Schon mit »Menschen am Sonntag« schrieb Billy Wilder 1929 der Stadt seiner filmischen Anfänge einen Filmklassiker auf den Leib. Ein paar Stadtmenschen, die sich für den Sonntag verabreden, an den See fahren, schwimmen, tändeln, lieben, Musik vom Grammofon hören und sich am Abend wieder verabschieden, weil auf den Sonntag der Montag folgt und die Arbeit sie wieder einholt – ein Film wie direkt aus dem Berliner Schallplattenverkäuferleben gegriffen, sonnig, sommerlich, halbdokumentarisch. Wilders Drehbuchadaption von Erich Kästners »Emil und die Detektive« folgte – und ist noch heute die klassische Verfilmung dieses Klassikers der Jugendliteratur. Ein besserer Schurke als Fritz Rasp war wirklich nie. Billy Wilder konnte aber auch ganz anders – etwa Tonfilmoperetten schreiben wie »Ein blonder Traum« von 1932, besetzt mit dem genreprägenden Dreigestirn Lilian Harvey, Willy Fritsch und Willi Forst.

Überhaupt gehört viel von dem, was Wilder schrieb und / oder inszenierte, heute zu den ikonenhafte Momenten der Filmgeschichte: Gary Cooper, der sich am Ende der Geschlechterkomödie »Blaubarts achte Frau« – geschrieben von Wilder für Ernst Lubitsch, den anderen großen Berliner in Hollywood – Hammelfleisch essend in einer Zwangsjacke wiederfindet, weil er seiner (achten) Filmgattin Claudette Colbert dann doch nicht ganz gewachsen war. Oder Greta Garbo als beinhart linientreue kommunistische Funktionärin, die in Paris einem frivolen Modehut erliegt – und dem Charme von Lebemann Melvyn Douglas, in »Ninotschka«, wieder für Lubitsch.

Oder später Marilyn Monroe, deren Rock sich 1955 über einem New Yorker U-Bahn-Abluftschacht bläht in Wilders eigenem »Das verflixte 7. Jahr«. Jack Lemmon und Tony Curtis in Rock und Perücke als Mitglieder einer Frauen-Kombo auf der Flucht vor mörderischen Mafiosi in »Manche mögen’s heiß«. Marlene Dietrich, die sich in »Eine auswärtige Affäre« im kriegszerstörten (und daher völlig moralfreien) Berlin mit dem Amüsieren amerikanischer Offiziere mal grade so durchschlägt. Jack Lemmon und Shirley MacLaine, die am Ende von Wilders bitterböser (und trotzdem mehrfach oscar-preisgekrönter) Amerika-Schelte »Das Appartement« zusammen Karten spielen, nachdem er sie ganz knapp noch vor einem Selbstmord aus missbrauchter Liebe rettete.

Oder noch einmal Jack Lemmon und Shirley MacLaine, wie sie sich in »Das Mädchen Irma la Douce« näher kommen. Und das, obwohl er den Film als ganz korrekter Polizist beginnt und sie ein wenn auch herzensgutes Freudenmädchen ist – im bunten Pariser Viertel der Markthallen, bevor die an den Stadtrand ausgelagert wurden.

Am anderen Endes des Spektrums filmischer Ernsthaftigkeit treibt kopfunter die Leiche eines abgehalfterten Drehbuchautors im Pool der verbitterten einstigen Stummfilmdiva Norma Desmond, gespielt von Gloria Swanson in »Boulevard der Dämmerung«. Die Leiche berichtet dann als Erzählerstimme des Films darüber, wie es zum Tod des Drehbuchautors überhaupt erst kam.

»Nobody’s perfect«, so lautet einer der wohl berühmtesten Sätze der Filmgeschichte am Ende von Wilders »Manche mögen’s heiß« – auch wenn den der Legende nach gar nicht Wilder selbst geschrieben hatte, sondern er einer spontanen Inspiration beim Dreh entsprang. Niemand ist vollkommen also, der Herr Samuel »Billie« Wilder alias Billy Wilder aber kam der Vollkommenheit zumindest auf dem Filmsektor doch schon sehr nahe.

Kino Babylon, 14.1.-6.2., Info & Karten Tel. 242 59 69 oder www.babylonberlin.de

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -