- Politik
- Personalie
Der Karthager
Fouad Mebazaa ist seit Sonnabend tunesischer Übergangspräsident
»Ich verpflichte mich persönlich, dass die Übergangsregierung einen totalen Bruch mit der Vergangenheit vollzieht.« Das war der Kernsatz Fouad Mebazaas am Mittwochabend in seiner ersten Fernsehansprache als Interimspräsident Tunesiens; ein seriös dreinblickender älterer Herr, in Diensten Ben Alis ergraut – ob auch in Ehren, das werden seine inzwischen gegenüber allen alten und neuen Amtsträgern höchst misstrauischen Landsleute prüfen.
Nun hat Mebazaa zwar gesagt, die Übergangsregierung – der er formell ja nicht angehört – habe den Bruch zu vollziehen, aber er hat sich gewiss auch selbst gemeint. Für den 77-Jährigen bedeutete dies aber nicht weniger, als sein bisheriges politisches Wirken in Frage zu stellen. Denn seit es Tunesien als Staat gibt, vertrat er diesen – und stets sehr weit oben.
Schon vor Erlangen der Unabhängigkeit 1957 bekleidete der studierte Jurist Funktionen in der Bewegung von Staatsgründer Habib Bourguiba, die dann unter sich wandelnden Parteinamen bis gerade eben als präsidiales Machtorgan wirkte. Das Vertrauen Bourguibas wie das von dessen präsidialem Nachfolger Zine el-Abidine Ben Ali hatte er offenbar immer.
Mit 31 Jahren wurde er 1964 Mitglied des Zentralkomitees seiner Partei, zehn Jahre später rückte er in deren Politbüro auf. In der Regierung gibt es kaum ein Ressort, um das er einen Bogen gemacht hätte. Mebazaa startete als Chef des Nationalen Sicherheitsbüros von 1965-67, war 1970-81 nacheinander Minister für Jugend und Sport, für Gesundheit, für Information und Kultur. In den 80ern vertrat er sein Land als Botschafter in Marokko und bei der UNO. Dass er heute Übergangspräsident ist, verdankt er einer weiteren Säule seiner ungebrochenen Karriere: der Mitgliedschaft im Parlament, dessen Präsident er zuletzt war – und damit auch des Landes bei »Abwesenheit« des Staatsoberhauptes wie zur Zeit.
Zwischendurch und nebenbei war Mebazaa auch für jeweils mehrere Jahre Bürgermeister verschiedener Städte. Die kleinste davon war das große Karthago. Er hat aber versprochen, keine Kriege, sondern sein Land zu einem frei gewählten Parlament zu führen – vorausgesetzt er gewinnt die Akzeptanz, dafür Moderator sein zu dürfen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.