Kleinbauern unter ferner liefen
Ernährungssouveränität ist bei der Grünen Woche kein Thema
»Man kann an einem Morgen Blumen in Kenia schneiden, und am nächsten Morgen kann man sie in Deutschland auf dem Markt kaufen.« Dafür gebe es die Infrastruktur, aber um in der Regenzeit Nahrungsmittel in entlegene Regionen Kenias zu transportieren, müsse das Militär Hilfstransporte organisieren. So skizzierte die kenianische Landwirtschaftsministerin Dr. Sally Kosgei das Problem der Ernährungssicherheit in einer globalisierten Agrarwirtschaft. Für die vielen Kleinbauern des Landes stünden keine ausreichenden Lager- und Transportmöglichkeiten zur Verfügung, was dazu führe, das bereits eingebrachte Ernten unbrauchbar würden.
Anlass für Kosgeis Ausführungen war die international hochrangig besetzte Konferenz »Global Forum for Food and Agriculture«. Mit ihr sollten der Diskussion zum Thema »Handel und Sicherung der Welternährung: Global – Regional – Lokal« neue Impulse verliehen werden.
Ein Impuls liegt schon geraume Zeit zurück. Für den 2008 veröffentlichten Weltagrarbericht haben mehr als 500 Wissenschaftler aller Kontinente Daten zusammengetragen. Sie kamen zum Schluss, dass es lokale Lösungen für die Ernährungsfrage geben muss. »Business ist nicht der Weg«, sagte Hans R. Herren in Berlin. Damit meint der Mitverfasser des Weltagrarberichtes und Direktor des Millennium Institute in Washington vor allem das Geschäft der großen Nahrungsmittelkonzerne. Schon jetzt lägen »siebzig Prozent des Saatgutes in den Händen weniger Konzerne«. Da dränge sich die Frage auf, ob wir uns von diesen Konzernen vorschreiben lassen wollen, was auf unsere Teller kommt. Statt es riesigen Lebensmittelkonzernen zu erleichtern, ein Monopol für Nahrungsmittelproduktion zu erlangen und dadurch den Hunger eher zu vergrößern, sei die Förderung von lokalen Kleinproduzenten der richtige Weg.
Armin Paasch, Ernährungs- und Welthandelsexperte beim Hilfswerk Misereor, verwies darauf, dass die europäische Agrarpolitik dazu beigetragen habe, dass Entwicklungsländer zu Netto-Importeuren von Nahrungsmitteln geworden sind, weil die Weltmarktpreise durch Exportsubventionen in den Keller gedrückt wurden. Die steigenden Preise seit der Weltwirtschaftskrise brächten viele dieser Entwicklungsländer nun in arge Nöte.
Die deutsche Regierung hat den Weltagrarbericht wie die Regierungen vieler anderer Industrieländer bisher nicht unterzeichnet und somit die Ergebnisse und Empfehlungen nicht offiziell anerkannt. Wie die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ihr erklärtes Ziel eines verstärkten Engagements in der Entwicklung ländlicher Gebiete umsetzen will, muss sich noch zeigen. Zwar betonte Gudrun Kopp, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dass die Entwicklung ländlicher Räume »ein Schlüssel für die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele« sei. Dabei käme es auf die Kleinbauern an.
Andererseits wurde auf der Konferenz auch die privatwirtschaftliche Orientierung der neuen deutschen Entwicklungspolitik deutlich. So führte der neue staatliche Akteur, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), ein Forum gemeinsam mit dem Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft durch, bei dem Andreas Wenzel, stellvertretender Geschäftsführer des Afrika-Vereins, sagte: »Die afrikanischen Regierungen sollten ihre Finger von der Agrarpolitik lassen und lediglich vernünftige Rahmenbedingungen für private Investitionen schaffen.«
Dieses Plädoyer für eine freie, politisch ungeregelte Wirtschaft liegt wohl auch in der Annahme der Unfähigkeit der Regierungen des Südens begründet. Dass es anders geht, zeigt das Beispiel Malawi. Dyborn C. Chibonga von der »National Smallholder Farmers Association of Malawi«, in der mehr als 100 000 Kleinbauern organisiert sind, berichtete, was die Regierung Malawis mit politischem Willen bewirkt hat. Gegen die Interessen der Gebergemeinschaft, speziell der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds, habe Malawi seine eigenen Vorstellungen von ländlicher Entwicklung und Agrarpolitik entwickelt und durchgesetzt. Durch die gezielte Förderung von Kleinbauern könne Malawi mittlerweile nicht nur seine Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus eigener Produktion versorgen, sondern gar einen Überschuss produzieren. Malawi habe sich so unabhängig von Nahrungsmittelimporten gemacht und erwirtschafte Einnahmen durch Ausfuhren nach Sambia, Lesotho und Swasiland.
Beispiele wie Malawi gibt es bisher selten. Weniger mutige Regierungen afrikanischer Länder haben unter massivem Druck Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der EU unterzeichnet. Die einer symmetrischen Marktöffnung gleichkommenden EPA helfen jedoch nur den großen Unternehmen in Industrie und Landwirtschaft. Laut Hans R. Herren gebe es noch längst keine vergleichbare Ausgangsposition zwischen der EU-Landwirtschaft und den zu 80 Prozent von Kleinbauern getragenen Agrarwirtschaften afrikanischer Länder.
Ein zentraler Begriff müsse in der Diskussion um die Sicherung der Welternährung laut Armin Paasch die »Ernährungssouveränität« sein. Während in den Berichten der Europäischen Kommission, der Weltbank und privater Akteure von einer Sicherung der Versorgung gesprochen wird, sei es wichtig, die Entwicklungsländer in die Lage zu versetzen, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen und sich von Importen unabhängig zu machen. Dass das Potenzial dazu auch in Afrika vorhanden ist, beweisen die Kleinbauern in Malawi. Doch sie stehen nicht im Fokus der internationalen Agrarpolitik.
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