Radios gegen den Mainstream
In Bayern haben es Bürgermedien bisher besonders schwer
Seit über 20 Jahren sendet im Großraum Nürnberg Radio Z kritische Hintergrundinformationen. Hervorgegangen aus einem gemeinnützigen Verein, war es das erste Freie Radio in Bayern. Und ist bis heute das Einzige in der Region. Lediglich Radio Lora in München hat es noch geschafft, sich ohne kontinuierliche staatliche Förderung zu etablieren. Für unkommerzielle Bürgermedien (Community Media) gibt es in Bayern weder eine gesetzliche Grundlage noch finanzielle Strukturförderung – obwohl dies der Gesetzgeber bereits vor über zwanzig Jahren bei der Reform des staatlichen Rundfunkmonopols empfohlen hat.
200 Ehrenamtliche
Auch der EU-Rat und das Europaparlament bescheinigten unabhängig voneinander die Bedeutsamkeit der Community Media. So hatte das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten 2008 »zu größerer aktiver Unterstützung der Bürgermedien auf(gerufen), um Medienpluralismus zu gewährleisten«. Grundlage war eine Studie der »KEA European Affairs«, die besagt, dass Bürgermedien unter anderem zur Meinungsfreiheit beitragen, den Zusammenhalt innerhalb gesellschaftlicher Gruppen und gesellschaftliche Minderheiten fördern und damit helfen, Diskriminierung zu überwinden. Für die Soziologin Ingrid Artus geben Bürgermedien Menschen die Möglichkeit, »ihre Stimme zu verbreiten, die ansonsten nicht gehört werden würde«. Womit sozialer Ungleichheit vorgebeugt und Jugendlichen wie auch exkludierten Gruppen Medien vermittelt werden können. So läuft bei Radio Z im Großraum Nürnberg eine Sendung von und für Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung.
Schon 1987, als Radio Z noch in den Kinderschuhen steckte, gab es eine türkische Sendung, bei der auch Ali Sahverdi mitmachte. Heute ist er Vorstand und in der türkischen Redaktion, die eine von acht doppelsprachigen Sendungen moderiert. »Radio Z erreicht niedrigschwellig spezielle gesellschaftliche Gruppierungen«, sagt er, was im Großraum Nürnberg auch auf 126 000 Menschen mit Migrationshintergrund zutrifft. Weshalb Bayern den Wert der geleisteten Arbeit schätzen lernen sollte. Laut Michael Liebler, dem 1. Vorstand von Radio Z, wäre dies bitter nötig, da die Jahresabrechnung »ein Tanz am Abgrund« sei.
Gegenwärtig finanziert sich der Sender aus den Beiträgen der über 1300 Mitglieder, aus Projektgeldern und Mitteln der Bayerischen Landeszentrale für Medien. Damit werden drei Stellen und zwanzig feste Freie finanziert. Den Rest leisten 200 Ehrenamtliche in »Selbstausbeutung«. Medienpädagogen, die auch die Praktikanten von Unis und FHs aus- und fortbilden könnten, fehlen. Dafür wäre eine Reform des Rundfunkrechts in Bayern nötig, müssten Community Media neben öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Medien als dritter Rundfunksektor anerkannt werden. Eine entsprechende Kampagne haben nun Radio Z und Radio Lora initiiert.
Unterschriften im Internet
In der Sache hat der bayerische Medienrat zu entscheiden, in dem 47 Vertreter aus Parteien und Organisationen sitzen, 20 von ihnen müssten einer entsprechenden Änderung des bayerischen Rundfunkrechts zustimmen. »Es gab bereits positive Signale«, so die Geschäftsführerin Syl Glawion. »Wir sind von der breiten gesellschaftlichen Zustimmung überrascht.« Auch die Bürgermeister von Nürnberg und Fürth, die Landtagsfraktionen der SPD und Grünen sowie weitere Abgeordnete haben Unterstützung zugesagt. www.Medienvielfalt-Bayern.de – auf dieser Website kann die Kampagne mit einer Unterschrift befürwortet werden.
Medienkompetenz
München (dpa/ND). Medienkompetenz ist neben Lesen, Schreiben und Rechnen eine Schlüsselqualifikation, die nach Ansicht von Experten intensiver an bayerischen Schulen gefördert werden soll. »Es wäre sinnvoll, Medienbildung noch stärker auf den Lehrplan zu setzen«, sagte die Medienpädagogin des bayerischen Staatsinstitutes für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), Vera Haldenwang, dieser Tage in einem dpa-Gespräch.
Kinder und Jugendliche konsumierten täglich Medien und Filme und müssten lernen, reflektiert und kritisch mit den Inhalten umzugehen. Dafür seien viele Lehrer jedoch nicht ausreichend ausgebildet.
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