Wohin der Wähler die SPD pustet
LINKE in Sachsen-Anhalt erhebt »Anspruch auf Alleinvertretung« – und setzt weiter auf Rot-Rot
Ohne uns geht es nicht – auf diese knappe Formel bringt die LINKE in Sachsen-Anhalt die Botschaft, die sie in den verbleibenden knapp zwei Monaten bis zur Landtagswahl den Wählern nahebringen will. Ob es darum geht, dass Kinder in der Schule länger gemeinsam lernen oder dass Ansiedlungen von Unternehmen nur gefördert werden, wenn diese Tariflöhne zahlen: Seine Partei erhebe bei derlei Themen »einen Alleinvertretungsanspruch«, sagte gestern deren Spitzenkandidat Wulf Gallert, der nach der Wahl am 20. März erster Ministerpräsident der LINKEN werden will. Derlei Forderungen, fügte er hinzu, würden »nur umgesetzt, wenn die Regierung von uns geführt wird«.
Zumindest bei der SPD dürfte man sich angesichts der selbstbewussten Feststellung verwundert die Augen reiben; schließlich finden sich diese und ähnliche Ziele auch in deren Wahlprogramm. Um den Anspruch auf Korrekturen etwa in der Schulpolitik zu untermauern, hatte SPD-Frontmann Jens Bullerjahn gestern für seine Partei sogar frühzeitig den Anspruch erhoben, nach der Wahl das Kultusministerium zu führen. Doch Personalien sind nicht unbedingt eine Garantie für tatsächliche politische Kurskorrekturen. Gallert jedenfalls ist überzeugt, dass die Sozialdemokraten derlei Forderungen in einer erneuten Koalition mit der CDU »nie und nimmer umsetzen«.
Auf ein erneutes rot-schwarzes Bündnis deutet derzeit freilich vieles hin: Bullerjahn lobt nicht nur bei jeder passenden Gelegenheit die Harmonie mit dem scheidenden CDU-Regierungschef Wolfgang Böhmer, sondern zeigt auch demonstrative Nähe zu dessen Nachfolger Reiner Haseloff – gestern Abend kochte er in einem Magdeburger Restaurant sogar gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister. Zudem bekräftigt er regelmäßig, die SPD werde auf keinen Fall einen linken Ministerpräsidenten wählen: Es gebe in dieser Frage »keine Wackelei«.
Gallert indes bekräftigt, Rot-Rot könne es schon rechnerisch nur unter Führung der LINKEN geben: »Sonst reicht es nicht«, sagte er unter Verweis auf Umfragewerte. Zudem schließt er aber einen Sinneswandel bei der SPD offenbar auch weiterhin nicht aus. Diese bewege sich stets dorthin, »wo der gesellschaftliche Druck hingeht«. Einen Vorwurf an die in einer »Sandwichposition« zwischen der Union und der LINKEN befindliche Partei formuliert er nicht; vielmehr leitet er eine Botschaft an die Wähler ab: »Wer sich beschwert, dass die SPD ihre Fahne immer in den Wind hängt, muss eben stärker pusten.«
Der Ende voriger Woche veröffentlichten jüngsten Umfrage zufolge verbessert sich freilich nicht nur die SPD nur marginal auf 22 Prozent; auch der Rückenwind für Gallerts Truppe scheint leicht abgeflaut. Nachdem sie zuletzt bei 30 Prozent gleichauf mit der CDU gelegen hatte, verlor sie jetzt zwei Prozent; die Union legte gleichzeitig um zwei Punkte zu. Schuld daran sei auch »die sogenannte K-Frage«, wie Landeschef Matthias Höhn formuliert. Die durch einen Artikel von Bundeschefin Gesine Lötzsch ausgelöste Kommunismus-Debatte »schadet uns in diesem Wahlkampf«, sagte Höhn – weniger, weil Wähler im Land die Hysterie teilten, sondern, weil sie landespolitische Kontroversen überlagert habe: »Wir wurden nicht so wahrgenommen, wie es nötig gewesen wäre.« In Fraktion und Landesvorstand, ergänzte er, habe »niemand im Ansatz Verständnis dafür«, wie sich die Bundespartei zuletzt präsentiert habe.
Allerdings hofft man in Magdeburg in den verbleibenden gut sieben Wochen wohl mit abflauenden Turbulenzen. Die Voraussetzungen, erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Partei im Land zu werden, seien jedenfalls weiterhin »so gut wie nie zuvor«, sagt Höhn. Abzuwarten bleibt nun, in welche Richtung der Wähler pustet.
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