Der tiefe Fall des Ivo Sanader

Massive Vorwürfe gegen Kroatiens Expremier

  • Veronika Wengert, Zagreb
  • Lesedauer: 4 Min.
Der frühere kroatische Premier Ivo Sanader sitzt in österreichischer Untersuchungshaft, während sich die Vorwürfe wegen Geldwäsche, Betrug und Amtsmissbrauch gegen ihn häufen. Die Liste der Vorwürfe könnte Stoff für einen Kriminalroman sein.

Er sei ein »karrierebewusster, charismatischer, karriereorientierter Populist« gewesen, berichtete das kroatische Fernsehen HTV kürzlich und sprach ihm eine »Dosis Hochmut« zu. Dass danach bekanntlich der Fall folgt, hat Ivo Sanader inzwischen zu spüren bekommen. Der ehemalige kroatische Regierungschef fand sich zunächst auf den Fahndungslisten von Interpol und kurz darauf in einem Salzburger Gefängnis wieder, wo er seit Mitte Dezember in Auslieferungshaft sitzt. Derweil erhärten sich die Vorwürfe gegen den Mann, dessen größte Vision der rasche EU-Beitritt Kroatiens war.

Die Liste der Anschuldigungen ist lang: Geldwäsche, Betrug, Amtsmissbrauch. Alles deute darauf hin, dass Sanader »der Kopf eines korrupten Geflechts gewesen sein muss«, schreibt die kroatische Tageszeitung »Jutarnji list«. Mindestens 147 Personen – darunter hohe Funktionäre der Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) – sollen daran beteiligt gewesen sein, illegal Gelder aus staatlichen und öffentlichen Unternehmen gesaugt zu haben, sagte der ehemalige Zollchef Mladen Barisic aus. Und belastet Sanader damit schwer.

Die Gelder sollen durch fiktive Rechnungen, unter anderem für nie erbrachte PR-Leistungen einer Medienagentur, abgezwackt worden sein. Politiker sollen damit nicht nur ihre Garderobe im Wahlkampf finanziert haben. Eine Zeitung und ein Lokalsender seien mit 700 000 Euro für ihre Berichterstattung »unterstützt« worden, schreibt »Vecernji list«. Sanader selbst soll laut HTV als Regierungschef einen Luxus-BMW für 575 000 Euro erhalten haben – von einem dalmatinischen Großindustriellen. Auch von Provisionszahlungen in Höhe von umgerechnet 400 000 Euro für die Vermittlung eines Großkredits der österreichischen Hypo Alpe Adria Bank ist die Rede. Die »Provision« soll Sanader vom Medienmogul Miroslav Kutle erhalten haben. Darüber hatten Journalisten bereits vor Jahren berichtet. Sanader hatte eine Verwicklung in den Fall der Hypo-Bank jedoch stets bestritten. Überhaupt hatten Affären Sanaders sechsjährige Amtszeit mehrfach überschattet. Irgendwie wand sich der Politiker jedoch immer wieder heraus.

Die große Überraschung präsentierte Sanader seinen Anhängern im Juli 2009, indem er völlig überraschend als Premier und Parteichef der HDZ zurücktrat. Abgelöst wurde er von seiner konservativen Stellvertreterin Jadranka Kosor, einer ehemaligen Journalistin, die der Korruption rigoros den Kampf ansagte. Mehrere Spitzenmanager von Staatsunternehmen, aber auch Minister, fanden sich seither auf der Anklagebank oder gleich hinter Gittern wieder. Niemand sei unantastbar, ließ Kosor wiederholt mitteilen und machte auch vor ihrem einstigen Weggefährten Sanader nicht halt, als sie ihn im Vorjahr aus der Partei ausschloss.

Die »Causa Sanader« zieht internationale Kreise: Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Geldwäsche bei einer Tiroler Bank. Sanader soll in der Alpenrepublik ein Konto auf den Namen seines Schwiegervaters eröffnet haben, vermeintlich ohne dessen Wissen. Auf zwei weiteren Konten, die auf Sanader selbst und dessen verstorbenen Vater lauten, wurden 1,2 Millionen Euro entdeckt. Der Vater stammte aus einfachen Verhältnissen. Auch Sanaders Bruder Vinko, katholischer Priester, soll in den Fall verstrickt sein: Bei dessen Bank in Kroatien wurden 400 000 Euro entdeckt. Die Kirche wisse nichts von dem Geld, heißt es. Der Geistliche beklagt unterdessen eine Verletzung seiner Menschenrechte und bezeichnet den Verdacht als reine Lüge. Derzeit werden 14 Personen aus Sanaders Familie von der Korruptionsbekämpfungseinheit Uskok überprüft. Das Vermögen von Frau und Töchtern ist längst eingefroren. Nach einer Hausdurchsuchung bei Sanaders wurden 300 Kunstobjekte beschlagnahmt.

Am Tag der Verhaftung Sanaders wurde auch der kroatische Großindustrielle Robert Jezic vorgeführt. Er soll laut »Jutarnji list« der »Freund und Berater« gewesen sein. Jezic sitzt seit Mitte Dezember ebenfalls in Untersuchungshaft. Das Pikante an dem Vorfall: Jezic ist deutscher Honorarkonsul in der Küstenstadt Rijeka. Ihm wird vorgeworfen, verbilligten Strom vom staatlichen Energiekonzern HEP erhalten zu haben. Zudem galt auch Jezic als eine der Schlüsselfiguren im Fall der Hypo-Bank in Kroatien. Und er soll Sanader ebenfalls einen teuren BMW gekauft haben, wie HTV berichtete.

Auf der Website der deutschen Botschaft in Zagreb heißt es inzwischen: »Das Büro des Honorarkonsuls in Rijeka ist vorübergehend nicht besetzt. Im Bedarfsfall wenden Sie sich bitte an …« Das Auswärtige Amt in Berlin teilte auf ND-Anfrage mit, man werde die Angelegenheit »sehr genau prüfen«. Gegebenenfalls sollen weitere Maßnahmen eingeleitet werden.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -