Holocaust-Gedenken: Bundestag erinnert an Leiden von Sinti und Roma
Auch in Deutschland fühlten sich viele Sinti und Roma weiter benachteiligt und stigmatisiert. »Die Opfer verpflichten uns, alle Formen von Diskriminierung und Intoleranz zu ächten und jeder Art des Hasses und der Ausgrenzung entschieden entgegenzutreten«, forderte Lammert.
Bundespräsident Christian Wulff traf in Polen ein, um in Auschwitz-Birkenau an der Gedenkveranstaltung zum 66. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers teilzunehmen. Zusammen mit dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski wollte er dabei auch mit ehemaligen Häftlingen zusammenkommen. Mit Polens Staatsoberhaupt fuhr er von dort direkt nach Auschwitz, wo in der internationalen Jugendbegegnungsstätte ein Treffen mit ehemaligen Häftlingen geplant ist.
Wulff und Komorowski wollen anschließend mit Jugendlichen aus Polen und Deutschland über Vergangenheit und Zukunft Europas diskutieren. Wulff besucht gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit am Internationalen Holocaust-Gedenktag die größte deutsche Todesfabrik der NS-Zeit. Auschwitz gilt als das weltweit wichtigste Holocaust-Symbol.
Der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland, Avi Primor, sagte bei einer Gedenkfeier in der neuen Mainzer Synagoge, vor fast 66 Jahren habe das grausamste Regime aller Zeiten seinen Untergang gefunden. Nazi-Deutschland habe hauptsächlich aus ideologischen Gründen einen Krieg entfesselt und sei für den Tod von 49 Millionen Menschen verantwortlich. Statistiken seien jedoch nur zum Teil nützlich. »Menschen wurden gepeinigt und nicht Zahlen«, sagte er.
Mit dem Holoaust-Überlebenden Zoni Weisz aus den Niederlanden sprach im Bundestag erstmals ein Vertreter der Sinti und Roma bei der Gedenkstunde. In seiner bewegenden Rede erinnerte der 73-Jährige daran, dass die Ausgrenzung und Verfolgung seines Volkes schon lange vor der Machtübernahme der Nazis begonnen habe und bis heute andauere. Trotz einer halben Million in Europa ermordeter Sinti und Roma in der NS-Zeit habe die Gesellschaft »fast nichts« aus diesem unvorstellbaren Leiden gelernt - »sonst würden sie heute verantwortungsvoller mit uns umgehen«.
»Wir sind Europäer und müssen die gleichen Rechte wie alle anderen haben«, forderte Weisz. Anlass zur Sorge gebe aber, dass in Ländern wie Rumänien und Bulgarien die meisten Sinti und Roma immer noch ein menschenunwürdiges Leben führen müssten. In Ungarn werde die Minderheit wieder von Rechtsextremisten in schwarzen Uniformen offen verfolgt. Es gebe in osteuropäischen Ländern Geschäfte und Gaststätten mit Schildern wie: »Zutritt für Zigeuner verboten«, klagte Weisz, der die NS-Zeit in einem Versteck überlebte, während seine Eltern und Geschwister sowie 21 weitere Familienangehörige in Konzentrationslagern umkamen.
Seit 1996 wird in Deutschland am 27. Januar an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. An diesem Tag hatten sowjetische Soldaten 1945 das KZ Auschwitz erobert und mehrere tausend Überlebende befreit.
In Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen ermordeten die Nazis zwischen 1940 und 1945 mehr als 1,1 Millionen Menschen. Die meisten Opfer waren Juden. Auch politische Häftlinge aus Polen, sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma sowie Vertreter anderer Nationen starben im Lager.
Weitere Informationen zum Thema in der ND-Ausgabe vom 28.01.2011
Siehe auch: Fotogalerie
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.