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»Task Force« für Tunesien
Was passiert ist, lässt sich nicht mehr gutmachen. Jahrzehntelang hat die EU dem tunesischen Regime des Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali die Stange gehalten. Trotz Polizeiwillkür, Folter und Repression gegen Oppositionelle, kritische Journalisten und Menschenrechtsverteidiger hat Brüssel beste diplomatische und geschäftliche Beziehungen mit der Regierung in Tunis unterhalten. Auch die Tatsache, dass sich Ben Alis Familie sowie die herrschende Politclique systematisch den Reichtum des Landes aneignete, brachte die Europäer nicht von ihrem Kurs ab. Im Gegenteil: Tunesien, das 1995 als erstes Land der Region ein Assoziationsabkommen mit der EU vereinbart hat, wurde noch belohnt. Zwei Jahre vor dem vorgesehenen Datum wurde der Staat 2008 zum ersten Mittelmeeranrainer, der eine Freihandelszone für Industrieprodukte mit der Union unterhält.
Die Gründe für die unheilvolle Allianz liegen auf der Hand. Auf nachhaltigen Druck vor allem der italienischen Regierung hin half das tunesische Regime, afrikanische Flüchtlinge von europäischem Boden fernzuhalten. Mit Rückführungsabkommen, schärferen Grenzkontrollen und härteren Strafen für Schleuser unterstützte Tunis aktiv die Abschottungspolitik der EU. Zudem galt Ben Ali als Garant im Kampf gegen radikale Islamisten. Und dass im »Krieg gegen den Terror« Menschenrechtsverletzungen hingenommen werden, ist ohnehin kein Vorgehen, das despotischen Herrschern vorbehalten ist. Anfang dieser Woche sprachen Experten im Menschenrechtsausschuss des Europaparlaments darüber, wie etwa die deutsche, polnische, schwedische und litauische Regierung an Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des Antiterrorkampfs beteiligt waren.
So weit, so schlecht. Nun liegt es an der EU, andere Wege zu gehen. Immerhin sollen die Guthaben des geflüchteten Machthabers in den EU-Staaten eingefroren werden. Weitere Schritte müssen folgen. So sollte eine Art »Task Force« in der EU geschaffen werden, die schnell finanzielle Ressourcen bereitstellen kann, um demokratische Prozesse in Tunesien zu unterstützen. Etwa freie Wahlen und eine verfassunggebende Versammlung, Initiativen zur Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit, Wahlbeobachtungen, unabhängige Medienarbeit oder Nichtregierungsorganisationen. Natürlich darf die EU auch mit Blick auf wirtschaftliche Unterstützung nicht zurückhaltend sein. Stabile Verhältnisse in der Region kann es nur geben, wenn die Menschen Aussicht auf Auskommen haben. Schließlich ist das europäische Bündnis schon jetzt wichtigster Handelspartner Tunesiens. 72,5 Prozent der Importe kommen aus der EU, 75 Prozent der Exporte gehen dorthin. Hier kann Brüssel ansetzen.
Was aber sollte grundsätzlich passieren, um der Kooperation der EU mit autoritären Regimes Grenzen zu setzen? Zunächst muss die Union schlicht ihre Verträge ernst nehmen. Im Assoziationsabkommen mit Tunesien sind die Einhaltung demokratischer Regeln und Freiheiten festgeschrieben, in gemeinsamen Evaluationen sollte dieses Thema regelmäßig überprüft werden. Passiert ist nichts. Dies gilt auch für zahlreiche andere Vereinbarungen der EU mit Drittländern. Umgesetzt werden diese Vorgaben nur, wenn es politisch opportun erscheint. Doch das europäische Bündnis muss eines zur Kenntnis nehmen: Wer es hinnimmt, dass Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger brutal verfolgt werden und sich eine kleine korrupte Machtclique maßlos bereichert, düngt langfristig nur den Boden für weitere Gewalt und Instabilität. Daran sollte Brüssel im Maghreb kein Interesse haben.
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