Weichen des Widerstands in London gestellt

Internationale Gewerkschaftskonferenz gegen Zerschlagung des öffentlichen Verkehrswesens

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Vertreter von Bahn- und Verkehrsgewerkschaften kamen diese Woche in London zusammen, um Widerstandsstrategien gegen die Privatisierung und Liberalisierung im öffentlichen Verkehrswesen zu diskutieren.

Mehr als 150 Vertreter von rund 40 Gewerkschaften aus ganz Europa waren zu dem von der britischen Bahn- und Verkehrsgewerkschaft initiierten RMT Treffen angereist. Erstmals kamen dabei Organisationen aus verschiedenen Dachverbänden und Traditionen zusammen. Die in Frankreich konkurrierenden großen linken Gewerkschaften CGT und SudRail waren dort ebenso vertreten wie der (ehemals kommunistische) Weltgewerkschaftsbund WGB.

RMT-Präsident Alex Gordon kritisierte aktuelle Pläne der EU-Kommission für eine weitgehende Liberalisierung des Eisenbahnsektors. Diese unterliefen Arbeitnehmer-Schutzrechte, Tarifverträge und Sicherheitsstandards. »Die EU setzt die neoliberale Globalisierung im Auftrag des Großkapitals um«, bekräftigte Athos Eleftheriou von der zyprischen Seeleutegewerkschaft Segdamelin.

Dabei ist die Situation schon jetzt in vielen Ländern mehr als unbefriedigend. In Schweden habe die Zerschlagung und Privatisierung der Bahnen Arbeitsplätze zerstört und die Sicherheit ausgehöhlt, berichtete Jörgen Lundström von der schwedischen Verkehrsgewerkschaft SEKO. Derzeit hätten nur 50 Prozent der schwedischen Bevölkerung Vertrauen in die Eisenbahn, »wahrscheinlich die 50 Prozent, die nie Zug fahren«, so Lundström: »Rollmaterial und Infrastruktur verkommen, Instandhaltung und Wartung werden auf ein absolutes Minimum beschränkt.« Ähnlich wie in Deutschland habe es auch in Schweden ein nie dagewesenes Winterchaos gegeben.

Verheerend auch die Lage in der britischen Seefahrt: Dort nutzten Fährunternehmen legale Schlupflöcher, um Gewerkschafter zu entlassen und durch Seeleute aus Übersee zu erstezen, die zu Hungerlöhnen arbeiteten, schilderte der bei der RMT zuständige Sekretär Steve Todd. »Viele verdienen weniger als zwei Pfund Stundenlohn.« Todd forderte stattdessen gleichen Lohn für gleiche Arbeit unabhängig von der Herkunft.

In Lateinamerika ist dagegen bereits eine Abkehr vom neoliberalen Diktum zu beobachten. Nachdem die Bahnprivatisierung dort zunächst zur Stilllegung zahlreicher Strecken geführt habe, hätten linke Regierungen mittlerweile das Eisenbahnwesen wieder verstaatlicht und aufgerichtet, erläuterte der aus Peru angereiste WGB-Vizegeneralsekretär Valentin Pacho.

Die Konferenz, die mit einer Gedenkminute für die Opfer des Zugunglücks in Oschersleben in Sachsen-Anhalt begonnen hatte, wurde von einem Rückschlag der Expansionsstrategie der Deutschen Bahn (DB) auf der Insel überschattet. Wenige Tage zuvor hatte die DB-Tochter Wrexham & Shropshire Railways den Personenverkehr zwischen Nordwales und London eingestellt und die Beschäftigten kurzfristig entlassen – für RMT-Generalsekretär Bob Crow nur ein weiterer Grund, um die Wiederverstaatlichung des fragmentierten Eisenbahnwesens auf der Insel zu verlangen, »mit hohen Qualitätsstandards und ohne Profitzwang«. Crow: »Wir wollen keine neuen Organisationen gründen, sondern gemeinsame Analysen und Strategien entwickeln, um eine Alternative zum kapitalistischen Chaos zu entwickeln.«

Zum Abschluss der Konferenz beschlossen die Gewerkschafter eine Resolution, in der eine europaweite Großdemonstration im Herbst 2011 angestrebt wird. Zudem soll eine mehrsprachige Website zur besseren Vernetzung auf allen Ebenen eingerichtet werden.

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