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Nackte Gewalt gegen Sudans Studenten

Jugend demonstriert für Regimewechsel

  • Marc Engelhardt, Khartum
  • Lesedauer: 2 Min.
In Sudan versuchen vor allem Jugendliche, das ihnen verhasste Regime von Präsident Omar al-Baschir zu stürzen. Doch Militär und Geheimpolizei schlagen mit brachialer Gewalt jede Regung von Opposition nieder.

Wenn die Demokratiebewegung in Ägypten am heutigen Freitag wieder auf die Straße geht, wollen auch Studenten in Sudan für Demokratie in ihrem Heimatland demonstrieren. »Wir fordern Präsident Baschir auf, sofort zurückzutreten«, sagt Ismail, ein junger Aktivist der Girifna-Bewegung.

Girifna ist Gossen-Arabisch und bedeutet so viel wie: Wir haben die Schnauze voll. »Es muss eine Übergangsregierung eingerichtet werden, und spätestens in zwei Jahren soll es demokratische Wahlen geben.« Ismail, der seinen vollen Namen nicht nennen will, glaubt, dass der Moment günstig ist – nicht nur wegen des Regimesturzes in Tunesien. »Seit Sonntag ist klar, dass Südsudan unabhängig wird – und auch wir im Norden müssen endlich wieder unsere wahre Unabhängigkeit zurückbekommen.«

Noch sind die Proteste vergleichsweise klein. Am Sonntag gingen in Omdurman, Sudans zweitgrößter Stadt, gut 2000 Studenten auf die Straße. Doch wie ernst das Regime des vom Strafgerichtshof in Den Haag auf die Fahndungsliste gesetzten Baschir die Proteste nimmt, zeigt die Reaktion der Sicherheitskräfte. Videos belegen, wie sie mit Tränengas und Knüppeln gegen Demonstranten vorgehen. Der Student Mohammed Abdelrahman gehört zu ihren Opfern. Wenige Stunden später stirbt er in einem Hospital.

Mit nackter Gewalt versucht Sudans Regierung, jeden Hauch von Widerstand zu ersticken. Universitäten im ganzen Land wurden vorläufig geschlossen. Nicht nur in Omdurman und der Hauptstadt Khartum, auch in al-Obeid im Westen und Kassala im Osten treiben Sicherheitskräfte Demonstranten mit Gewalt auseinander. Der gefürchtete Sicherheitsminister Salah Gosh droht offen damit, dass das Militär – anders als in Ägypten – keine Sympathien für die Demonstranten zeigen werde. Doch auf ihrer Facebook-Seite, der inzwischen mehr als 120 000 Menschen folgen, rufen die Initiatoren der Proteste dazu auf, nicht aufzugeben.

Der Unmut über das Regime ist vor allem im Alltag verwurzelt. Junge Leute auch aus besseren Verhältnissen fürchten um ihre kleinen Freiheiten, die Rap-Konzerte etwa, die in Khartum eine stetig wachsende Zahl von Besuchern anziehen. Musik, zumal moderne, gilt radikalen Imamen als Teufelswerk. »Viele glauben, dass Sudan auf dem Weg zurück in die Steinzeit ist, wir könnten ein afrikanisches Afghanistan werden«, sagt der Sänger der Rapband Rezolution, Ahmed Mahmud. »Aber ich werde immer sagen, was ich denke – zur Not gehe ich zurück in den Untergrund.«

Dieses Schicksal könnte auch Oppositionspolitiker treffen. Die Geheimpolizei geht derzeit gegen prominente Politiker vor. Mariam al-Sadiq al-Mahdi, Tochter des Chefs der oppositionellen Umma-Partei, wurde so schwer verletzt, dass ihr linker Arm 14 Brüche aufwies. Andere Oppositionelle, unter ihnen der landesweit bekannte Hassan al-Turabi, wurden inhaftiert.

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