Die LINKE darf nicht auf die Schulbank

Im baden-württembergischen Wahlkampf grenzt das Kultusministerium die Partei per Erlass aus

  • Barbara Martin, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Landtagswahlumfragen sehen im Moment gut aus für die Südwest-Linkspartei: Schwarz-Gelb und Grün-Rot mit 45 Prozent gleichauf, die LINKE mit fünf Prozent Zünglein an der Waage. Der Wahlkampfwind bläst der Partei allerdings ins Gesicht: Bei Podiumsdiskussionen in Schulen soll sie ausgesperrt bleiben. Dagegen will die LINKE nun klagen.

»Mappus weg mit links« – dies ist das Wahlkampfmotto, das Linkspartei-Sprecher Bernd Riexinger in Stuttgart ausgibt. Doch die Konkurrenz hat etwas dagegen: Das Stuttgarter Kultusministerium hat sogar eine Richtlinie erlassen, die die neue Konkurrenz von Diskussionen in Schulen ausschließt.

Hochgekocht ist das Thema Ende Januar, als ein Tübinger Gymnasium die lokalen Landtagskandidaten der Linkspartei – Bernhard Strasdeit – und der Piratenpartei – Roman Kremer – nach vorheriger Einladung wieder ausladen musste. Die Schülermitverwaltung (SMV) des Kepler-Gymnasiums hatte außer den Landtagsparteien CDU, SPD, Grüne und FDP auch die Linke und die Piraten auf der Liste. Doch bekam das Regierungspräsidium davon Wind und verwies auf einen 18 Jahre alten Erlass, wonach nur Landtagsparteien an solchen Debatten teilnehmen dürften.

»Der SMV war die Ausladung extrem unangenehm«, so Strasdeit im Anschluss. Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) schaltete sich ein: Kurzerhand erklärte er, die Veranstaltung sei städtisch, finde aber in der Schule statt – Strasdeit und Kremer waren wieder drin. Rund 170 Jugendliche folgten der Bildungsdiskussion, bei der Palmer erklärte: »Wenn unsere Demokratie gefährdet ist, dann nicht durch die Piratenpartei und die Linke auf dem Podium, sondern dadurch, dass sich zu wenige junge Leute für Politik interessieren.«

Doch nicht jede Stadt hat einen Palmer. Laut Strasdeit, der auch Landesgeschäftsführer ist, wurden vier LINKE-Kandidaten von schulischen Diskussionen ausgeladen.

»Wir sind der Ansicht, dass dieser Erlass rechtswidrig ist«, sagt Riexinger, eine Klageschrift werde vorbereitet: »Wir sitzen im Bundestag, in zahlreichen Kommunalparlamenten, im Europaparlament und das Parteiengesetz sagt eindeutig, alle Parteien müssen gleich behandelt werden. Da kann der Staat nicht das Kultusministerium benutzen, um uns auszugrenzen.«

Die Tübinger SPD-Landtagsabgeordnete Rita Haller-Haid fragte am Donnerstag im Landtag, was der Erlass denn solle. Staatssekretär Georg Wacker erklärte daraufhin, es sei »nicht wünschenswert, wenn die SMV entscheidet, wer eingeladen wird«. Schule müsse neutral sein. Sonst bestehe die Gefahr, dass auch rechtsextreme Parteien kommen wollten. Riexinger widerspricht: »Ich denke, man kann den SMVen zutrauen, selbst zu entscheiden, und ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie Rechtsextreme einladen.« Wenn doch, müsse man sich eben inhaltlich auseinandersetzen. Der Tübinger NPD-Kandidat Axel Heinzmann hat indes Dienstaufsichtsbeschwerde gegen OB Palmer eingelegt, weil der »gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen habe«.

Der Wahlkampf läuft also schon in Stuttgart – auch mit Ex-Parteichef Oskar Lafontaine. Gemeinsam mit dem amtierenden Vorsitzenden Klaus Ernst diskutierte er mit mehr als 200 Betriebsräten über den Aufschwung, der bei den Beschäftigten kaum ankommt. Für den Abend war eine Rede Lafontaines auf dem Stuttgarter Schlossplatz angekündigt. Dort hatte freilich auch das Palästinakomitee zu einer Soli-Kundgebung für Ägypten aufgerufen.

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